Ausfall eines wichtigen Zulieferers oder Dienstleisters: Das können Sie tun

Viele Unternehmen arbeiten eng mit externen Partnern zusammen: Ein bestimmter Lieferant ist für die Belieferung mit wichtigen Spezialkomponenten verantwortlich, ein Spediteur bringt die Waren zu den Kunden, die Buchhaltung erledigt der Steuerberater. Doch was ist, wenn ein wichtiger Zulieferer oder Dienstleister ausfällt - sei es durch eine Insolvenz, durch Krankheit oder ganz aktuell aufgrund des Krieges in der Ukraine? In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Sofortmaßnahmen Sie in so einem Fall ergreifen können.

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Mann im Hemd sitzt am Schreibtisch und telefoniert
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 |  Zuletzt aktualisiert am:14.02.2024

Ausfall von wichtigen Zulieferern und Dienstleistern kann existenzbedrohend sein

Mit der zunehmenden Arbeitsteilung werden viele Betriebe immer abhängiger von ihren Partnern. Dabei können Lieferanten für wichtige Komponenten meist nicht doppelt besetzt sein. Das gilt noch stärker für Dienstleister, die Funktionen wie Rechnungswesen, IT, Einkauf, Vertrieb oder wichtige Produktionsschritte übernehmen. 

Wenn der Lieferant nicht liefert, der Spediteur nicht fährt oder die Leiharbeitsfirma keine Experten mehr schickt, dann stockt der Lieferprozess im eigenen Unternehmen. Die Produktion steht still, die eigenen Kunden werden nicht beliefert. Das führt zu akuten Problemen bei der kurzfristigen Lieferung, aber auch zu langfristigen Problemen, wenn die Kunden sich nach Ersatzlieferanten umsehen oder verspätete Zahlungen zu Liquiditätsengpässen führen. Eine solche Situation kann sehr schnell existenzbedrohend werden. Wenn also ein wichtiger Leistungsträger ausfällt, müssen Sie sofort und richtig reagieren.

Diese Sofortmaßnahmen sollten Sie ergreifen

1. Ausfall feststellen und beschreiben

Sobald der Partner seine Leistung nicht mehr erbringt, muss der Ausfall gemeldet und eingeschätzt werden:

  • Welchen Grund hat der Ausfall?
  • Wie lange wird die Störung dauern?
  • Sind alle Leistungen des Partners betroffen oder nur bestimmte Teile?
  • Wie kann bei der Behebung des Problems geholfen werden?
  • Sind alle Partner des Leistungsträgers betroffen oder nur einzelne?

Es ist wichtig, hierfür schnellstmöglich das Gespräch mit dem Lieferanten bzw. Dienstleister zu suchen und zuverlässige Antworten zu bekommen. Darum fragen Sie den richtigen Mitarbeiter des Leistungsträgers, der diese Informationen besitzt. Verlassen Sie sich nicht auf Aussagen der operativen Mitarbeiter. Die Ansprechpartner für solche Problemsituationen sollten vorsichtshalber bereits bei Vertragsabschluss festgelegt werden.

Ist der Grund für die Störung beim Leistungserbringer dessen Insolvenz, dann ist der Insolvenzverwalter der erste Ansprechpartner.

Praxistipp: Lassen Sie sich nicht auf eine Verzögerungstaktik ein. Bestehen Sie auf realistischen Angaben, vor allem bezüglich der zur erwartenden Dauer der Störung.

2. Auswirkungen prüfen

Die aktuellen und potenziellen Auswirkungen der Leistungsstörung müssen vollständig erfasst werden:

  • Wie lange kann der eigene Betrieb noch problemlos weitergeführt werden?
  • Welche Probleme treten aktuell bereits auf?
  • Welche Probleme werden nach einem Tag auftreten?
  • Welche Probleme werden nach einer Woche auftreten?
  • Können die Auswirkungen nach der Beseitigung der Störung wieder aufgeholt werden oder entsteht ein dauerhafter Schaden?
  • Kann es durch die Störung bei dem Leistungsträger zur vergleichbaren Situation mit den eigenen Kunden kommen?
  • Sind Schadensersatzansprüche der eigenen Kunden zu befürchten?

Zeichnen Sie bei der Beantwortung dieser Fragen ein möglichst realistisches Bild. Es macht keinen Sinn, die Lage zu beschönigen. Gleichzeitig ist es nicht hilfreich, sich übertrieben negative Auswirkungen auszumalen.

3. Kurzfristiger Ausfall: Alternativlieferanten suchen

Alternativlieferanten suchen Besteht die Störung im Ausfall von Warenlieferungen oder produktbezogenen Dienstleistungen, kann der Markt meist andere Quellen bieten. Schwierig wird eine kurzfristige Alternative, wenn der Leistungsträger Funktionen wie den Vertrieb oder die Logistik übernommen hat. Alternative Partner benötigen in diesen Fällen meist eine längere Vorlaufzeit.

Praxistipp: Kosten spielen bei der Suche nach Alternativen zunächst keine wichtige Rolle, solange die durch diese Störung entstehenden Kosten niedrig gehalten werden können.

4. Eigene Leistung soweit wie möglich sicherstellen

Änderung der Abläufe

Der Ausfall einer Leistung, die von dem Partner erbracht worden wäre, kann durch veränderte Abläufe überwunden werden. Hier einige Beispiele:

  • Fremdfertigung kann durch Eigenfertigung ersetzt werden.
  • Digitale Abläufe können zeitweilig manuell erledigt werden.
  • Fertigungsprozesse können so verändert werden, dass bestimmte Leistungen (z. B. Reinigung, Entgraten, Montage) nicht notwendig sind.
  • Die Zustellung der Aufträge kann durch eigene oder angemietete Fahrzeuge erfolgen, wenn der Spediteur ausfällt.

Die Umstellung von Abläufen kann jedoch immer nur kurzzeitig erfolgen. Die Kosten werden schnell sehr erheblich. In Verwaltungsabläufen ist die Dokumentation der Veränderungen und der Tätigkeiten notwendig, um diese später in ein geordnetes System zu überführen. Wenn z. B. digitale Abläufe durch manuelle ersetzt werden, müssen die Arbeiten später noch einmal digital nachvollzogen werden, um wieder ein geschlossenes digitales System zu erhalten.

Auch der Ausfall von Hilfs- und Betriebsstoffen, die Sie normalerweise von Ihrem Zulieferer erhalten hätten, kann durch veränderte Abläufe abgemildert werden:

  • Fertigungsprozesse werden so umgestellt, dass die fehlenden Stoffe nicht benötigt werden (z. B. wird die Maschine mit hohem Energieverbrauch durch eine mit niedrigem Verbrauch ersetzt).
  • Fertigungsprozesse können auch durch zugekaufte Bauteile oder Fertigwaren ersetzt werden.
  • Bereits die Geschwindigkeit, mit der Maschinen produzieren, bestimmt den Verbrauch an Material. Langsam laufende Maschinen verbrauchen weniger vom knappen Material.

Produkt/Leistung verändern

Wenn Rohstoffe, Materialien oder Produktionsleistungen betroffen sind, kann der Ausfall unter Umständen auch durch Veränderungen am Produkt kompensiert werden:

  • Rezepturen werden so verändert, dass vom fehlenden Rohstoff nichts mehr eingesetzt wird.
  • Die Konstruktion wird so verändert, dass ein fehlendes Bauteil nicht benötigt wird.
  • Die Materialbeschaffenheit wird dem Rohstoffbestand angepasst, preisgünstige nicht vorhandene Varianten können durch höherwertige ersetzt werden.
  • Viele Kunden können das Produkt auch unverpackt verwenden, wenn das Verpackungsmaterial Grund der Störung ist.

Je nach Wichtigkeit Ihrer eigenen Lieferfähigkeit spielt der Preis für Ersatzmaterial und Ersatzprodukte eine untergeordnete Rolle. Die Empfänger der Produkte müssen jedoch unter Umständen über die Veränderungen informiert werden.

5. Auswirkungen minimieren

Alle Beteiligten haben ein Interesse daran, die Auswirkungen der Störung so gering wie möglich zu halten.

  • Schicken Sie die Mitarbeiter für den absehbaren Zeitraum nach Hause. Klären Sie, wie Sie diese Fehlzeiten behandeln. Eine Möglichkeit ist auch die Beantragung von Kurzarbeit. Wie Sie dabei vorgehen, erfahren Sie hier.
  • Informieren Sie Ihre Kunden über die zu erwartenden Verzögerung Ihrer Leistungserbringung.
  • Bestellen Sie externe Kapazitäten wie Fracht, Leiharbeit oder Fremdfertigung ab.
  • Lagern Sie nicht genutzte Rohstoffe oder Waren sicher.

Sie haben selbst bei vertraglich vereinbartem Schadenersatz immer die Pflicht, die entstehenden Kosten zu minimieren. Gleichzeitig wollen und müssen Sie Ihre eigenen Kunden zufriedenstellen. Diese haben in der aktuellen Situation möglicherweise auch Verständnis für die Probleme, die Sie durch das Coronavirus haben.

6. Rückkehr zur Normalsituation vorbereiten

Wenn die Störung beseitigt ist, müssen die Aktivitäten zur Überbrückung beendet werden. Der Übergang zur Normalsituation muss ebenfalls gut vorbereitet sein.

  • Die Mitarbeiter sind im Übergang stark belastet. Sie müssen darauf vorbereitet werden, damit sie die Zeit auch verfügbar haben.
  • Notlösungen mit anderen Leistungsträgern müssen auf das Ende der Störung befristet werden.
  • Für nachzuholende Arbeiten müssen die notwendigen Kapazitäten bei anderen Partnern reserviert werden (z. B. Spedition).
  • Muss Produktion nachgeholt werden, müssen Sie unter Umständen die Genehmigung zur Sonntagsarbeit einholen.

Die Kenntnis des genauen Termins, zu dem die Störung beseitigt ist, erleichtert die Vorbereitung des Übergangs. Terminieren Sie die Übergangslösungen nicht zu knapp. Überlappungen kosten zwar Geld, erhöhen aber die Sicherheit.

7. Juristisch denken

Die juristische Aufarbeitung erfolgt zwar erst später, vorbereitet werden muss sie jedoch sofort.

  • Falls Sie Schadensersatz von Ihrem Zulieferer bzw. Dienstleister einfordern wollen, sollten Sie ihm sofort mitteilen, dass Schadenersatzansprüche auf ihn zukommen. Sind die Ansprüche vertraglich geregelt, halten Sie dabei die vereinbarte Informationskette ein. 
  • Durch sofortige Information Ihrer eigenen Kunden minimieren Sie vereinbarten Schadensersatz.
  • Dokumentieren Sie alle Aktivitäten zur Kostenminimierung und alle Kosten.

Vorrang hat sicher die Überwindung der Krise. Dennoch müssen Sie frühzeitig Ihre Rechte sichern. Der Aufwand ist auch dann gerechtfertigt, wenn kein Schadenersatz vom Leistungsträger zu erwarten ist. Sie können dann die Mehrkosten anderen Stellen gegenüber rechtfertigen (z. B. Geschäftsführung, Gesellschafter, Banken).

8. Längerfristiger Ausfall: Ersatz suchen

Sobald klar ist, dass der Partner seine versprochene Leistung dauerhaft oder zumindest langfristig nicht erbringen wird, müssen Sie nach Ersatz suchen.

  • Bei einer Insolvenz des Leistungsträgers könnte ein eventuelles Nachfolgeunternehmen der richtige Partner sein.
  • Der Markt bietet für Waren und Dienstleistungen andere Partner, die vergleichbare Leistungen erbringen können.
  • Auch die Übernahme von Funktionen und Fertigungsschritten in Eigenregie kann eine weitere Lösung sein. Dadurch wird das Risiko des Ausfalls in der Zukunft verringert. Aber möglicherweise ist dafür zusätzliches Personal notwendig. 

Bei der Bewertung möglicher neuer Partner sollte die Sicherheit der Zusammenarbeit eine wichtige Rolle spielen. Sie müssen prüfen, wie zuverlässig und wirtschaftlich solide ein potenzieller neuer Leistungsträger ist.

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