Mehrwertsteuersenkung 2020 – das sollten Unternehmer beachten

Anfang Juni beschloss die Bundesregierung ein Konjunkturpaket mit einem Volumen von rund 130 Mrd. Euro. Mit diesem „Marshallplan 2.0“ soll die durch die Corona-Krise gebeutelte Wirtschaft in Deutschland unterstützt werden. Kernbestandteil des Pakets ist eine zeitlich begrenzte Senkung der Mehrwertsteuer. Erfahren Sie in diesem Artikel, welche Handlungsoptionen sich nun für Sie als Unternehmer ergeben.

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Ein Mann hinter einer Kasse bedient eine Frau
© Tom Werner - gettyimages.com
 |  Zuletzt aktualisiert am:12.03.2024

Ein wesentlicher Bestandteil des Konjunkturpakets ist die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer. Vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020 reduziert sich der Satz von 19 % auf 16 % beim Regel-Steuersatz bzw. 7 % auf 5 % beim ermäßigten Steuersatz. Mit der Senkung, die ein Volumen von rund 20 Mrd. Euro hat, soll vor allem der Konsum angeregt werden.

Die Hoffnung ist, dass durch die Senkung der Mehrwertsteuer Produkte billiger werden und Kunden dann noch in diesem Jahr Käufe tätigen, die sonst unterblieben wären oder erst im nächsten Jahr erfolgen würden. Wenn viele Kunden mehr kaufen, so die Hoffnung, führt das dazu, dass noch in den kommenden Monaten die Nachfrage deutlich steigt. So soll die Arbeitslosigkeit eingedämmt werden und die Unternehmen in der Folge wieder mehr Umsatz und am Ende auch Gewinn erzielen können.

Dieser Artikel ist vor allem für Unternehmer und Selbstständige wichtig, die an Privatkunden verkaufen. Für Geschäftskunden untereinander ist die Mehrwertsteuer ein durchlaufender Posten, der keinen unmittelbaren Einfluss auf den Gewinn hat.

Diese Handlungsmöglichkeiten haben Unternehmer bei der Mehrwertsteuersenkung

Die Bundesregierung hat bei der Senkung der Mehrwertsteuer eher aus volkswirtschaftlicher Sicht entschieden und geht von positiven Masseneffekten aus. Doch Unternehmer müssen ihre Firma im Blick haben. Sie müssen betriebswirtschaftlich entscheiden und sehen, was für sie am günstigsten ist. Das heißt im Klartext: Von welcher Vorgehensweise sie am meisten profitieren. Im Kern gibt es drei Handlungsmöglichkeiten:

Variante 1: Die Steuersenkung wird vollständig an die Kunden weitergegeben

Wird die Steuersenkung vollständig weitergegeben, verbilligen sich die Produkte oder Leistungen für den Kunden. Der Anreiz, mehr oder früher zu kaufen als geplant, steigt dadurch. Für den Unternehmer ändert sich in Sachen Gewinn und Liquidität nur etwas, wenn Kunden im zweiten Halbjahr tatsächlich mehr kaufen.

Beispiel:
Ein Unternehmer bietet einen Artikel vor der Steuersenkung für 119 Euro inkl. Mehrwertsteuer an. Er verkauft monatlich 1.000 Stück. Die Kosten pro Stück belaufen sich auf 90 Euro, der Gewinn auf 10 Euro. Er erzielt im Monat also 10.000 Euro Gewinn. Die Steuersenkung gibt der Unternehmer vollständig an seine Kunden weiter und bietet das Produkt ab Juli zu 116 Euro an. Verändern sich die Verkaufszahlen nicht, bleibt auch der Gewinn gleich. Kaufen Kunden mehr, z. B. 1.050 Stück, erhöht sich der Gewinn bei sonst unveränderten Bedingungen auf 10.500 Euro pro Monat.

Variante 2: Die Steuersenkung wird nicht an die Kunden weitergegeben

Wird die Steuersenkung „einbehalten“ und lassen Unternehmer die Preise stabil, lässt sich auch bei gleichen Verkaufszahlen und Preisen mehr verdienen.

Beispiel:
Der Unternehmer verkauft das Produkt auch nach der Steuersenkung weiter zu 119 Euro, die Kosten belaufen sich weiter auf 90 Euro. Damit erhöht sich der Gewinn um ca. 2,59 Euro auf 12,59 Euro pro Stück (119 Euro Ursprungspreis – 16 % Mehrwertsteuer). Beim Verkauf von 1.000 Stück beträgt der Gewinn somit 12.586,21 Euro. Erhöht sich die Verkaufsmenge auf 1.050 Stück, beträgt der Gewinn sogar 13.215,52 Euro.

Variante 3: Die Steuersenkung wird teilweise an die Kunden weitergegeben

Der Unternehmer entscheidet sich, nur einen Teil der Steuersenkung an seine Kunden weiterzugeben.

Beispiel:
Das Produkt wird nach der Steuersenkung zu 117,50 Euro angeboten. Die Kosten liegen weiter bei 90 Euro pro Stück. Damit verändert sich der Gewinn pro Stück auf 11,29 Euro (117,50 Euro – 16 % Mehrwertsteuer – 90 Euro Kosten). Bei einer Verkaufsmenge von 1.000 Stück beträgt der Gewinn jetzt 11.293,10 Euro, bei 1.050 Stück beläuft er sich auf 11.857,76 Euro. 

Hinweis: In den Beispielen wurde nur der Regelsatz von 19 % bzw. 16 % berücksichtigt; die Zusammenhänge gelten aber genauso beim ermäßigten Satz von aktuell 7 % bzw. ab Juli 5 %.

Ausnahmen von diesen Preisgestaltungsmöglichkeiten

Die Zusammenhänge gelten in der Regel nicht bei Dauerschuldverhältnissen mit festen Preisen, etwa bei Telefon- oder Energieverträgen. Hier gibt es meist festgelegte Nettopreise, auf die die Mehrwertsteuer aufgeschlagen wird, ab Juli eben 16 % statt 19 %. Damit sollten sich diese und andere Verträge entsprechend verbilligen. Etwas anderes gilt nur, wenn ein Anbieter die Nettopreise ändert. Ähnlich ist die Lage, wenn man Kunden z. B. im Mai oder Juni ein Angebot gemacht hat und hier die Nettopreise nicht mehr ändern kann.

Handlungsempfehlungen für Unternehmer

Die Beispiele zeigen, dass Unternehmer dann am meisten verdienen, wenn sie die Steuererhöhung nicht oder zumindest nur teilweise an ihre Kunden weitergeben. Der Gewinnzuwachs ist auch dann größer, wenn die Steuersenkung einbehalten wird und man in der Folge die Verkaufszahlen nicht steigern kann. Ist es also am besten, nichts zu tun und die Steuersenkung vollständig selbst zu „kassieren“? Ganz so einfach sollte man sich die Sache nicht machen!

Bei der Preisfindung und Kaufentscheidungen fließen in der Regel weit mehr Größen ein, als „nur“ die nackten Kalkulationszahlen. Dazu gehören etwa das Wettbewerbsverhalten, die Preissensibilität von Kunden, die Branche und die Art des Auftrags, die Vergleichbarkeit von Produkten oder das Verkaufsgeschick des Unternehmers oder seiner Mitarbeiter. Das gilt vor allem bei teureren Artikeln.

Tipp

Wie lässt sich die temporäre Preissenkung vermitteln?

Noch eines darf nicht vergessen werden: Wenn die Preise reduziert werden, muss man Kunden Anfang kommenden Jahres auch erklären, warum die Preise wieder angehoben werden. Ob sich Kunden dann daran erinnern werden, dass die Verteuerung „nur“ auf eine Veränderung der Steuer zurückzuführen ist, und dann trotzdem weiter treu bleiben? Oder ob sie zu einem Wettbewerber wechseln, der es z. B. mithilfe von Kostensenkungen oder Gewinnverzicht schafft, den Preis auch 2021 stabil zu halten?

Eine pauschale Empfehlung lässt sich daher an dieser Stelle nicht aussprechen. Dazu unterscheiden sich die Dinge in den Betrieben und die Wünsche und Vorstellungen der Unternehmer zu sehr. Wer sich derzeit (weiter) in einer akuten Notlage befindet, tendiert wohl eher dazu, die Steuererleichterung nicht weiterzugeben. Wer zumindest ein wenig Spielraum hat, ist oft eher geneigt, Kunden partizipieren zu lassen und zumindest einen Teil der Erleichterungen weiterzugeben.

Achtung

Tücken der Änderung: Unrichtig ausgewiesene Mehrwertsteuer

Unternehmer sollten unbedingt darauf achten, zwischen dem 1.7. und dem 31.12.2020 den reduzierten Steuersatz auszuweisen! Wenn Sie nämlich zum Beispiel ihre Kasse nicht umstellen und somit auf der Rechnung bzw. dem Kassenbon "19 %" als Mehrwertsteuer ausgewiesen sind, so sind Sie auch verpflichtet, diese 19 % abzuführen.

Ähnliches gilt bei Leistungen an Unternehmer, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind: Stellen Sie die Rechnung mit dem alten Satz aus, erbringen die Leistung jedoch zwischen dem 1.7. und dem 31.12.2020, so haben Sie auch hier zu viel Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer ausgewiesen. Sie müssen 19 % abführen - der Leistungsempfänger kann jedoch nur 16 % als Vorsteuer abziehen.

Steuererleichterung an Kunden weitergeben oder nicht?

Diese Fragen sollten sich Unternehmer stellen Es ist also sinnvoll, sich vor einer Entscheidung etwas intensiver mit dem Sachverhalt zu befassen und sich u. a. folgende Fragen zu stellen:

1. Wie ist die aktuelle finanzielle Lage im Betrieb? Ist man auf jeden Euro angewiesen und muss daher sehr genau rechnen?

2. Wie preissensibel sind die Kunden? Schauen sie auf jeden Euro oder agieren sie eher „großzügiger“?

3. Wie will man selbst grundsätzlich gegenüber seinen Kunden auftreten, z. B. als Unternehmer, der nicht alle Vorteile für sich reklamiert, sondern diese auch mit wichtigen Partnern teilt? Oder als Unternehmer, der wegen der Coronakrise derart in Not ist, dass er die Steuersenkung nicht weitergeben kann?

4. Wie verhalten sich Lieferanten? Bleiben deren Preise auch mit 16 % Mehrwertsteuer auf dem Niveau vom Juni, erhöhen sie also die Nettobezugspreise? Damit verteuert sich die eigene Produktion und der Spielraum für Anpassungen sinkt, auch wenn man die Erleichterungen zumindest teilweise weitergeben möchte.

5. Wie verhalten sich Wettbewerber? Geben sie die Steuersenkungen teilweise oder vollständig an ihre Kunden weiter?

6. Lassen sich die Produkte oder Leistungen überhaupt direkt miteinander vergleichen? Wenn nicht, z. B. bei individuell zubereiteten Speisen im Restaurant, kann man von der Steuererhöhung oft selbst profitieren, weil man gegenüber den Kunden keine Nettopreise aufdecken muss.

7. Wenn man die Steuersenkungen weitergeben will: Wie lässt sich das am besten vermarkten, um möglichst hohe Mehrverkäufe zu erreichen? Etwa durch Anzeigen oder Mails an Kunden, in denen die Preissenkungen angekündigt werden. Wichtig ist bei der Kommunikation in jedem Fall, dass Sie darauf hinweisen, dass die Preissenkungen nur bis Ende des Jahres gelten!

Auch Handwerker können mit der Steuersenkung werben und betonen, dass sie die Leistung vergünstigt nur bis zum Jahresende anbieten können

Tipp

Vorlage: Preissenkung werbewirksam ankündigen

„Sehr geehrte Kunden,
gerne möchten wir dazu beitragen, dass auch Sie von der Reduzierung der Mehrwertsteuer profitieren. Ab sofort bieten wir u.a. die Artikel A, B, C nicht mehr zu X Euro, sondern zu Y Euro an. Wir freuen uns, Ihnen das gesamte Portfolio weiter in der gewohnten Qualität anzubieten.
Wir möchten Sie heute schon darauf hinweisen, dass wir die Preisreduktion nur vorübergehend bis Ende des Jahres anbieten können. Mit der Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz müssen wir die Preise leider wieder anheben.
Daher: Greifen Sie jetzt zu und gönnen Sie sich etwas Besonders zu noch günstigeren Preisen.“

8. Gibt es durch Preissenkungen unter Umständen Probleme, weiter „runde“ oder optisch günstige Preise anzubieten? Bei einem Preis von z. B. 199 Euro würde bei einer Weitergabe der Mehrwertsteuer der neue Preis bei 193,98 Euro liegen. Das wäre unter verkaufspsychologischen Aspekten eher ungünstig.

9. Lassen sich die Preise im Vorfeld anheben, um dann von einem höheren Preis ausgehend eine Steuersenkung anbieten zu können? Damit kann man nach außen als Unternehmer auftreten, der die Vorteile an Kunden weitergibt, muss aber selbst keine Einbußen hinnehmen. Machbar ist eine solche Vorgehensweise i. d. R. nur, wenn man keine Produkte mit bisher festen Preisen anbietet. Hier haben Auftragsfertiger eher Spielraum als z. B. Geschäfte mit einem festen Sortiment.

10. Ist absehbar, dass Kunden dauerhaft mehr Produkte kaufen werden, wenn die Preise sinken? Oder ist eher zu erwarten, dass Käufe vorgezogen und dann später gar nicht oder weniger gekauft wird?

11. Wie kann die Zeit bis zum Jahresende genutzt werden, um einem möglichen Einbruch der Verkaufszahlen ab Anfang kommenden Jahres vorzubeugen, z.B. durch das Angebot neuer Produkte, mehr Werbung oder auch einer Beibehaltung evtl. gesenkter Preise, wenn es gelingt, die Kosten für die Herstellung zu senken?

Fazit zur Mehrwertsteuersenkung 2020

Zum 1. Juli 2020 trat die neue Mehrwertsteuerregelung in Kraft. Bis zum Jahresende 2020 wurde der Mehrwertsteuersatz auf 16 % herabgesetzt. Der ermäßigte Satz wurde von 7 % auf 5 % gesenkt. Vor allem Unternehmer, die Privatkunden bedienen, müssen genau überlegen, ob sie diese Steuersenkung an ihre Kunden weitergeben oder die Preise stabil lassen und allein von der Steuersenkung profitieren.

Für beide Varianten gibt es Argumente. Eine Entscheidung hängt immer auch von der jeweiligen Lage eines Unternehmens und den Rahmenbedingungen ab. In jedem Fall müssen die aktuelle eigene finanzielle Lage, das Wettbewerberverhalten oder die Preissensibilität von Kunden berücksichtigt werden. Und man muss sich Gedanken darübermachen, wie man eine mögliche Preisanhebung zum Jahreswechsel 2021 „verkaufen“ und ein mögliches Umsatzloch auf Grund vorgezogener Käufe schließen kann.

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