Digitalisierung im Einzelhandel: Die Zukunft ist digital

Beim Thema „Digitalisierung“ denken die meisten an Amazon und Google. Doch auch der lokale Einzelhandel kann von Digitalisierung profitieren. Durch Corona wird die Suche nach neuen Ideen immer dringlicher. Digitalisierungsexperte Ömer Atiker bietet in diesem Artikel Denkanstöße, wie auch kleinere Einzelhändler mit kleinen Schritten Großes erreichen können.

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Kunde hebt sein Handy an ein Kartenlesegerät
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 |  Zuletzt aktualisiert am:06.03.2024

Einzelhandel im Wandel

Digitaler Wandel im Handel: Das klingt so richtig schwierig. Leere Innenstädte, explodierender Online-Handel, Influencer statt echter Beratung. Und dann noch die Corona-Pandemie! Wer braucht da noch Geschäfte?

Eine Studie zur Situation der Selbstständigen in der Corona-Krise zeigt ein Digitalisierungsdefizit im stationären Einzelhandel. Doch ganz so schwarz sieht es nicht aus. Der Handel hat sich schon oft verändert: Vom fahrenden Händler zum Laden, dann weiter zum Supermarkt, zu Warenhäusern, Katalog-Versandhandel, Shopping Malls und den Großflächen am Stadtrand. Dann kriegen wir die Digitalisierung im Einzelhandel doch auch hin!

Digitalisierung im Einzelhandel: Worum geht es eigentlich?

Zwar hat es jeder schon einmal gehört, aber was genau ist denn „digitale Transformation“?

Nun, jedes Unternehmen, ob Händler oder Produzent,

  1. ist eine Organisation (viele Menschen arbeiten zusammen),
  2. die Werte schafft (den Mehrwert) und
  3. diesen Mehrwert verkauft.

Digitale Transformation umfasst diese 3 Ebenen und bedeutet

  • sich digital besser zu organisieren,
  • Mehrwert leichter und schneller zu erzeugen (oder gar ganz neue Werte erschaffen) und
  • diese Werte digital besser, leichter und weitreichender zu verkaufen.

Leicht gesagt, aber für viele ist eine steile Lernkurve nötig. Lassen Sie uns also schauen, wie diese 3 Bereiche Sie digital nach vorne bringen.

1. Digital besser organisiert

Sobald Sie mehr als einen Mitarbeiter haben, müssen Sie die Arbeit organisieren. Dafür gibt es die „großen“ Sachen, wie die Warenwirtschaft und die Buchhaltung. Die laufen schon lange auf Computern. Bei der Qualität, den Möglichkeiten, dem Interface – da gibt es riesige Unterschiede. Wer ein schickes Smartphone gewohnt ist, der findet diese grauen Schirme voller Text und Daten sehr befremdlich.

Übrigens haben dieses Problem auch andere Firmen. Banken und Fluggesellschaften haben oft riesige, uralte Systeme, für die es schon keine Programmierer mehr gibt. Bessere Organisation durch Digitalisierung heißt also:

Gute Software sieht gut aus und ist wirklich einfach zu bedienen

Wir brauchen nicht immer die große Alles-auf-einmal-Lösung, das eine Programm, die eine zentrale Datenbank, die alles kann. Inzwischen gibt es dank der App-Stores lauter kleine Programme, die uns das Leben leichter machen.

  • To-do-Listen
  • Kontakte
  • Projektmanagement
  • Merkzettel
  • Daten teilen

Jedes dieser Programme löst nur eine einzige Aufgabe, aber die löst es perfekt! Und viele Apps haben sogar Schnittstellen zu anderen Anwendungen, sodass man sie kombinieren kann. So eine App kostet dann auch nur ein paar Euro, die sich für die Digitalisierung im Einzelhandel auf jeden Fall lohnen.

Werden Sie Profi in der Nutzung Ihrer Geräte

Nach einem Jahr Pandemie und Homeoffice gibt es einen Punkt, den wir wirklich angehen müssen: Üben! Denn es ist frustrierend, wie wenig Routine wir beim Arbeiten auf Abstand haben, noch immer.

Unser wichtigstes Werkzeug beherrschen wir oft nur gerade so. Und gerade bei Videokonferenzen ist es immer dasselbe Theater:

  • „Kannst Du mich sehen?“
  • „Du bist noch stumm.“
  • „Wie teile ich meinen Bildschirm?“

Nehmen Sie sich die Zeit, gern auch zu zweit oder mit fachlicher Hilfe, und lernen Sie, Ihre Computer zu bedienen. So ganz elegant und selbstverständlich. Das klingt etwas banal, ist aber Grundbaustein für eine erfolgreiche Digitalisierung im Einzelhandel.

Wer ganz effizient sein will und es noch nicht kann, der lernt 10-Finger-Tippen. Über die Jahre spart das enorm viel Zeit und Nerven.

2. Durch Digitalisierung Werte schaffen

Wofür zahlen Ihre Kunden? Am Ende sind das 3 Dinge:

  1. Das Produkt
  2. Der Service
  3. Das Image

Das Produkt ist klar, Geld gegen Ware. Lieber habe ich als Kunde weniger Geld und dafür das Produkt, denn damit ist mein Leben etwas besser: Leichter, schneller, bequemer, sicherer. Ich habe mehr Möglichkeiten und mehr Freiheit. Sprich: Das Produkt ist ein Mittel zum Zweck.

Das gilt genauso für den Service. Ob Lieferung, Reinigung, Catering, Internet-Anschluss oder Weiterbildung: Der Service macht unser Leben etwas besser, und deswegen zahlen wir dafür.

Ganz abstrakt ist das Image: Auf der teuren Rolex ist es genauso spät wie auf der billigen Casio. Aber sie ist eben auch ein Zeichen von Reichtum und damit Erfolg, Stichwort: Statussymbol.

Heutigen Mehrwert noch leichter bieten

Große Kisten auspacken und kleine Päckchen verkaufen, das kann Amazon besser. Also müssen Sie bieten, was Amazon nicht kann. Entwickeln Sie Ihre eigene Entwickeln Sie Ihre eigene Digitalisierungsstrategie.

Sie können heutige Werte besser liefern. Machen Sie es ihrem Kunden leichter, bei Ihnen zu kaufen!

  • Pandemie? Dann bauen Sie einen wirklich einfachen Prozess, um Termine zu vereinbaren.
  • Kundendaten müssen erfasst werden? Dann schauen Sie, wie das möglichst leicht geht – und wie es spätestens beim zweiten Besuch mit einem Klick zu machen ist.

Beim Bio-Metzger standen die Leute letzten Sommer in der Schlange um den Block. Was macht der? Er lässt Bestellungen per WhatsApp zu, schnürt die Pakete, dann muss man nur noch abholen und zahlen. Bezahlen per Mobile Payment mit Apple Pay? Kein Problem, benötigt nur ein bisschen Hard- und Software. Click & Collect geht auch völlig umsonst, man muss sich nur darauf einlassen.

Wert Ihrer Produkte & Services steigern

Sie können aber auch ganz neue Werte schaffen. Nutzen Sie für die Digitalisierung im Einzelhandel zum Beispiel:

  • Teilen Sie Ihr Wissen:
    Zeigen Sie, dass Sie Ahnung haben, geben Sie echte Ratschläge und Empfehlungen. Wer Ihren Rat sieht und ihn befolgt, der vertraut Ihnen. Das machen große Baumärkte ebenso wie manch kleiner Metzger.
  • Unverpackt:
    Toll, dass es Online-Shops gibt. Aber die Berge an Pappe, die jede Woche anfallen, sind lästig und nicht gut für die Umwelt. Also möglichst wenig Verpackung! Von Gemüsenetzen bis Unverpackt-Läden ist vieles möglich.
  • Mein Freund, der Verkäufer:
    Im Lockdown ist Einkaufen oft die letzte soziale Interaktion im Leben. Und jemand, der Sie kennt und berät, ist in diesen Zeiten echt etwas wert. Machen Sie Einkaufen wieder zu einem Erlebnis. Machen Sie, was Online-Shops nie bieten können!
  • Persönliche Produkte:
    Sie können Produkte individualisieren. Das kriegen Massenmarken wie Coca-Cola und Nutella hin, das macht Starbucks mit dem Filzstift. Schnüren Sie passende Bundles, bieten Sie neue Services, verbessern Sie Bestehendes.

3. Digital besser verkaufen im Einzelhandel

Die Digitalisierung im Einzelhandel bietet so viele Möglichkeiten, besser zu verkaufen! Sie müssen nur näher an Ihre Kunden.

  • Kaufen ohne Kasse:
    Wozu ewig an der Kasse anstehen, wenn schon beim Aussuchen alles erfasst und beim Rausgehen abgerechnet wird? Die heutigen „Schnellkassen“ zum Selberscannen sind eher nervig als nützlich, aber das wird sich bald ändern.
  • Nutzen Sie das Handy der Kunden:
    Bieten Sie auf Ihrer Website oder mit einer App Leistungen, die man wirklich braucht. Warum nicht Pokémon Go mit Produkten im Laden? Bestellplakate in der U-Bahn? Da sind wir in Europa noch sehr hintendran. Ein paar Ideen:
    • Sonderangebote
    • den Weg zum Waschmittel
    • ein Routenplaner auf Basis des Einkaufszettels
    • Rabattaktionen
    • Punkte sammeln
    • Up- und Cross-Selling („zu diesem Essen passt dieser Wein“)
    • Personalisierung („Ihre Lieblingssorte ist heute im Angebot“)

  • Verkaufsautomaten:
    In ländlichen Gegenden etablieren sich die Automaten. Fleisch beim Metzger, Obst beim Bauern, Milch aus dem Milchhüsli – immer frisch, immer regional. Und das ganz ohne Personal und Ladenfläche.
  • Social Media:
    Ja, es ist fremd und wild da draußen. Aber Marken bauen sich in den kommenden Jahren über Social Media auf, Influencer gewinnen Reichweite und damit Macht.
    Sie können das Alles albern und oberflächlich finden – oder Sie können sich überlegen, wie Sie dabei erfolgreich mitspielen.
  • Community:
    Ob Mode, Essen oder Spiele: Wenn Sie es schaffen, Kunden zu echten Fans zu machen, dann müssen Sie sich um den Umsatz keine Sorgen machen.

 

Digitalisierung im Einzelhandel bedeutet auch: Ändern Sie Ihr Selbstverständnis. Werden Sie Dienstleister, Problemlöser und Partner statt nur Logistiker. Die Digitalisierung im Einzelhandel ist während Corona enorm vorangetrieben worden. Wer hier zielgerichtet sein Unternehmen an moderne Ansprüche anpasst, wird langfristige Erfolge messen können.

 

Digitalisierung im Einzelhandel bringt Herausforderungen mit sich

Der Sprung in die digitale Welt bringt natürlich klare Vorteile, ist aber genauso herausfordernd. Zwar sind die Maßnahmen abhängig von der Art des Unternehmens, doch grundsätzlich trifft der stationäre Handel bei der Digitalisierung im Einzelhandel auf folgende Probleme:

  • Bei Online-Shops die Vorgaben bezüglich des Datenschutzes einhalten
  • Häufig fehlen Mitarbeiter mit digitaler Expertise
  • Logistische Schwierigkeiten mit Blick auf Versand
  • Geringerer Kundenkontakt, schwerere Kundenbindung
  • Aufwändige Online-Präsenz etablieren
  • Angebot, Service und Kommunikation auch auf digitalem Weg konsistent bieten

Fallbeispiel für Digitalisierung im Einzelhandel: Liveshopping am Smartphone mit Couchbummel

Das Bremer Start-up Couchbummel ermöglicht Einzelhändlern einen schnellen Einstieg ins Zeitalter des e-Commerce in Echtzeit. In der App können Händler ihr Sortiment live anbieten und Zuschauer virtuell in ihrem Geschäft begrüßen. Die Gründer erläutern folgend, wie Couchbummel die Digitalisierung im Einzelhandel erleichtert.

Info

Unternehmensprofil

Name: Couchbummel (Lippmann, Janßen-Müller GbR)

Unternehmenssitz: Bremen

Gründungsjahr: 2021

Branche: Live-Commerce

MA-Anzahl: <10

Prozesse des Einzelhandels per App digitalisieren

Die App ist ein digitaler Marktplatz mit Fokus auf Live- Produktpräsentationen und bietet somit Einzelhändlern eine moderne Plattform, auf der Sie sich und Ihr Geschäft auf individuelle Weise präsentieren können. Das Liveshopping, also der Verkauf von Produkten in Livestreams bringt im Vergleich zu konventionellem E-Commerce viele Vorteile mit sich, von denen sowohl Kunden als auch Händler profitieren.

Darstellung von Tabellen auf Desktop besser lesbar

<b>Auf Verkäuferseite</b>
Auf VerkäuferseiteAuf Kundenseite
Der Verkäufer kann seine Kernkompetenzen der individuellen Beratung und fachlichen Expertise einbringen. Er repräsentiert damit sein Geschäft auf persönliche Weise und definiert sich nicht nur über ein Sortiment, welches dann auf einem herkömmlichen Webshop oder aber auf den vielen Marktplätzen vertreten ist. Weitere Kaufanreize werden außerdem dadurch erschaffen, dass die Verkäufe innerhalb eines Live-Events sichtbar sind und die Zuschauer sehen, dass auch andere gerade einkaufen. Kunden hingegen können die Qualität der Produkte durch die Live-Präsentation völlig anders beurteilen und der Kauf wird nicht länger nahezu anonym vollzogen, wie es sich durch die Dominanz der Online-Marktplätze in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Probleme wie die Identifizierung von Fake-Produktbewertung und China-Schrott treten somit wieder in den Hintergrund. Insofern digitalisiert Couchbummel einen authentischen hochwertigen Einkaufsprozess, der durch Interaktion und Authentizität statt Preiskampf und Anonymität geprägt ist.

Daneben soll das digitale Tool für den Einzelhandel auch die sonstigen Online-Präsenzen obsolet machen. Statt aufwendig gepflegte Instagram-Accounts und täglich Posts zu erstellen, sollten Shops eher die Zeit haben, sich auf ihr Kerngeschäft der Produktberatung und des Verkaufs zu konzentrieren.

So verändert Couchbummel das Geschäft von Einzelhändlern

Die Kundschaft kann in der App direkt während einer Live-Präsentation den Warenkorb füllen und Produkte kaufen. Somit erschaffen Händler trotz der digitalen Distanz ein persönliches Einkaufserlebnis. Wir wollen den Händlern mit Couchbummel eine Perspektive aufzeigen, wie sie im Zuge der Digitalisierung Online-Handel betreiben können, ohne:

  • a) Social-Media-Präsenzen regelmäßig mit Content zu bespielen, um ihre Reichweite vermeintlich zu erhöhen
  • b) eigene Webshops zu eröffnen

Darüber hinaus geben wir Händlern die Möglichkeit ihre Produkte einem großen Publikum live vorstellen zu können, um so Kaufanreize beim Kunden zu schaffen. Unsere Lösung könnte das Geschäft von Einzelhändlern insofern verändern, dass diese regelmäßig Einblicke in ihr Sortiment geben und Kunden so digital in ihrem Geschäft begrüßen.

Ausblick: Wie geht es weiter mit Couchbummel?

Wir wollen natürlich nicht zu viel verraten, aber eine der größten Neuerungen ist eine Web-Version der App. Hiermit wollen wir insbesondere die Einstiegshürden für Zuschauer verringern, um sich Live-Events noch einfacher anzusehen und die Shops damit auf persönliche Art und Weise kennenzulernen.

Außerdem erfolgt momentan die Implementierung einer fortgeschrittenen Livestreaming-Architektur, sodass 1-8 Personen gleichzeitig in einem Stream auftreten können. Auf diese Weise können sich z. B. mehrere Verkäufer den „Ball zuspielen“ oder interessierte Kunden im Stream dazu holen, die sich dann individuell beraten lassen.

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