Jeder zweite Selbstständige hat Angst um seine Existenz

Heizsaison 2023/24

Der Herbst hat begonnen und damit ist die Zeit gekommen, uns ein Thema ins Gedächtnis zurückzurufen, das bald wieder akut wird: die Energiekrise. Denn auch wenn der letzte Winter für viele glimpflicher verlaufen ist als befürchtet, heißt das nicht, dass dies jetzt wieder der Fall sein wird.

Zwar hat die Bundesregierung zuletzt die sinnvolle Verlängerung der Preisbremsen für Strom und Gas bis Ende März 2024 beschlossen. Aber: Ab 1. Januar soll die Mehrwertsteuer auf Gas vorzeitig wieder von sieben auf 19 Prozent steigen. Das heißt, die Regierung sorgt für höhere Preise und subventioniert diese dann. Die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens erschließt sich mir nicht. Und weitere Maßnahmen sind weit und breit nicht in Sicht – mit Ausnahme des Industriestrompreises, zu dem es aber auch nach wochenlangem Hin und Her noch keine Entscheidung gibt. Zumal bei der Diskussion mal wieder die Solo-Selbstständigen, Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen außen vor stehen, da diese in der Regel weder Stahl, noch Aluminium oder Zement herstellen. Umso wichtiger ist die Frage: Wie blicken sie auf die kommenden Monate und insbesondere die nächste Heizsaison?

Die (finanziellen) Ressourcen sind ausgeschöpft

Die Antwort laut einer aktuellen Befragung von Lexware*, dem führenden Hersteller von Business-Software für Selbstständige und kleine Unternehmen: Die Mehrheit fühlt sich – wenig überraschend – ziemlich alleingelassen (63 Prozent) und heute schon überfordert (62 Prozent). Dabei haben die heizintensiven Monate noch gar nicht angefangen. Doch schon aus heutiger Sicht hat nur ein Drittel (36 Prozent) das Gefühl, dass ihr Geschäft einen weiteren Winter ohne (größere) Einschränkungen überstehen würde, der ähnlich oder noch heizintensiver als der letzte wird. Dazu muss man wissen: der Winter 2022/23 war vergleichsweise warm.

Was ist der Grund für diese Sorgen? Womöglich ist es die finanzielle Situation der Unternehmer:innen nach den vielen Krisenjahren ohne Erholung. Gerade mal ein Zehntel der Befragten (11 Prozent) würde aktuell uneingeschränkt die Aussage unterschreiben, dass sie keine großen finanziellen Sorgen haben, die Geschäfte gut laufen und der Ausblick positiv ist. Besonders schwierig gestaltet sich die Lage wohl bei den kleinen und mittleren Unternehmen: Hier stimmen jeweils sogar nur 5 Prozent dieser Aussage zu.

Die Kosten steigen für Unternehmen und Kundschaft

Die letzten Jahre waren für Unternehmen teuer: Bei 45 Prozent von ihnen sind die Kosten für die Produktion gestiegen und bei 67 Prozent die Kosten für ihre benötigten Materialien. Entsprechend haben sich 62 Prozent entschieden, ihre Preise zu erhöhen – deutlich mehr als unter den Solo-Selbstständigen und Kleinstunternehmer:innen (48 Prozent). Erstere spüren dann auch die Folgen eines solchen Schritts deutlicher: 37 Prozent von ihnen haben durch ihre Preiserhöhungen Kund:innen verloren, während es bei Letzteren 29 Prozent waren. Insgesamt scheint die Situation für 16 Prozent besonders prekär gewesen zu sein: Sie haben zwischenzeitlich darüber nachgedacht, ihren Betrieb aufzugeben.

Staatliche Entlastung nach dem Gießkannenprinzip hilft nur bedingt

Zumindest im letzten Winter blieb die Bundesregierung nicht gänzlich untätig, auch wenn die Entlastung für die Klein- und mittleren Unternehmen erst recht spät kam – und gänzlich überzeugt haben sie dabei nicht. So kam einerseits der grundsätzliche Ansatz der Preisbremsen bei immerhin jedem Zweiten (48 Prozent) gut an, auch wenn die gedeckelten Preise teilweise als zu hoch empfunden wurden. Andererseits war die Einmalzahlung im letzten Dezember – die ja explizit auch für KMUs gedacht war – in den Augen von nur einem Fünftel der Befragten (20 Prozent) sinnvoll. Fast doppelt so viele (37 Prozent) hätten das Geld dagegen lieber in die Strom- und Gaspreisbremsen investiert gesehen.

Insgesamt fühlen sich knapp zwei von drei der Befragten (62 Prozent) eher oder sogar sehr schlecht vom Staat unterstützt. Das sind zwar neun Prozentpunkte weniger als im September letzten Jahres, aber dennoch vier mehr als im Dezember 2022. Statt die letzten Monaten zu nutzen, sich und das Land auf den kommenden Winter vorzubereiten, hat die Regierung vor allem miteinander gestritten. Doch die Lebkuchen im Supermarkt zeigen bereits: bald drängt die Zeit wieder. Dennoch sind Lösungen, die wirklich und vor allem dauerhaft helfen, nicht in Sicht. Es ist zu befürchten, dass sich die Situation aus dem letzten Jahr wiederholt – Unterstützung kommt zwar, aber erst zu spät, nach monatelanger Unsicherheit, und als Gießkanne statt passgenauen Maßnahmen.

Fazit: Existenzängste höher als 2022

Können wir uns das wirklich erlauben? Nein, denn die Folge ist, dass aktuell jede:r zweite Solo-Selbstständige, Kleinst-, Klein- und mittlere Unternehmer:in (49 Prozent) beim Ausblick auf die kommende Heizsaison von Existenzängsten berichtet – vor einem Jahr war der Wert mit 40 Prozent zwar auch schon hoch, aber deutlich niedriger als heute. Das kann für die 3,8 Millionen Solo-Selbstständigen, Kleinst-, Klein und mittleren Unternehmen – und ihre über 12 Millionen Mitarbeiter:innen – böse ausgehen.

Für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist die aktuelle Situation fatal. Denn nicht nur werden viele Unternehmer:innen ohne sinnvolle Unterstützung bald nicht mehr weitermachen können, das heißt, wir müssen uns auf noch mehr Insolvenzen und Geschäftsschließungen einstellen. Darüber hinaus ist das Signal an Menschen, die gründen wollen, verheerend: Der Staat interessiert sich schlicht nicht ausreichend für die "Kleinen" und weiß auch nicht, wie man ihnen effektiv helfen könnte. Dabei braucht es gerade jetzt Impulse, um den Gründungsmut wieder zu steigern und den sinkenden Gründungszahlen etwas entgegenzusetzen. Lasst uns Selbstständigkeit, Gründen und Unternehmertum gemeinsam attraktiv machen!

* Methodik

Lexware hat im Zeitraum vom 15. bis zum 25. September 2023 2.663 seiner Kund:innen per Online-Fragebogen zu den Belastungen und Folgen der Energiekrise befragt.

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