International bekannte Whistleblower brachten das Thema auf die Agenda
Zu den bekanntesten Whistleblowern bislang gehören wohl Chelsea Manning oder Edward Snowden. Die Erstgenannte war lange Zeit Angehörige der US-Streitkräfte, wo sie als IT-Spezialistin tätig war. 2010 wurde sie verhaftet, weil sie verdächtigt wurde, Videos und Dokumente kopiert und der Website WikiLeaks zugespielt zu haben. Die Vorwürfe hat sie später teilweise eingeräumt. Noch bekannter ist wohl Edward Snowden, dessen Enthüllungen tiefe Einblicke in weltweite Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten, speziell der USA und Großbritanniens, bieten. Diese beiden und weitere Fälle sorgten weltweit für Aufsehen und ebneten den Weg hin zu einem Schutzsystem für Hinweisgeber.
Info
Bundesrat stoppt das Hinweisgeberschutzgesetz
Das Hinweisgeberschutzgesetz geht in die Verlängerung. Die unionsgeführten Länder haben das Gesetz am 10.02.2023 im Bundesrat gestoppt. Jetzt werden weitere Gesetzesänderungen notwendig. Dazu kann der Vermittlungsausschuss einberufen werden. Das Inkrafttreten des Gesetzes verzögert sich voraussichtlich um mehrere Monate.
Verzögerte nationale Umsetzung von EU-Vorgaben in Deutschland
Schon am 19. Dezember 2019 ist die EU-Richtlinie 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, in Kraft getreten. Ziel dieser sog. Whistleblower-Richtlinie ist es, Rechtsverstöße aufzudecken und zu unterbinden und die Rechtsdurchsetzung zu verbessern. Unternehmen sollen dazu verpflichtet werden, effektive, vertrauliche und sichere Meldekanäle einzurichten und hinweisgebende Personen (Whistleblower) auf diese Weise vor Repressalien zu schützen (z. B. Diskriminierung, Kündigung oder Schadensersatzansprüchen). Wenn beispielsweise eine beschäftigte Person Kenntnis von der Bestechung einer anderen Person im Unternehmen hat, dann soll sie in keiner Weise benachteiligt oder rechtlich belangt werden, wenn sie diesen Vorgang aufdeckt.
Weil Richtlinien im Unterschied zu Verordnungen der Europäischen Union lediglich Rahmenvorgaben enthalten und in den EU-Mitgliedsstaaten nicht unmittelbar anwendbar sind, müssen sie erst noch im Rahmen eines förmlichen Gesetzgebungsverfahrens in nationales Recht umgesetzt werden. Dies hätte im Falle der Whistleblower-Richtlinie bis spätestens zum 17. Dezember 2021 erfolgen sollen.
Allerdings hat der deutsche Gesetzgeber erst zum 27. Juli 2022 einen entsprechenden Regierungsentwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz beschlossen. Am 14.12.2022 hat sich der Rechtsausschuss des Bundestags auf eine überarbeitete Fassung des Regierungsentwurfs geeinigt.
In seiner letzten Sitzung des Jahres 2022 hat der Bundestag das "Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ (Hinweisgeberschutzgesetz) beschlossen.
Jetzt fehlt noch die Zustimmung des Bundesrates. Am 10.02.2023 war das Thema im Bundesrat. In dieser Sitzung kam die dafür erforderliche Mehrheit jedoch nicht zustande. Hätte der Bundesrat zugestimmt, wäre das Gesetz voraussichtlich Mitte des Jahres 2023 in Kraft getreten. Jetzt verzögert sich der Prozess um weitere Monate.
Hinweisgeberschutzgesetz bringt neue Pflichten – außer für kleine Unternehmen
Die Whistleblower-Richtlinie und damit auch das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz sollen durch Bereitstellung von entsprechenden Meldesystemen in erster Linie Whistleblower schützen. Wenn im Unternehmen 50 oder mehr Personen beschäftigt sind, dann muss ein solches Meldesystem eingerichtet und betrieben werden. Konkret bedeutet das: Es muss eine zuständige Person oder Stelle benannt werden, die regelmäßig eingehende Meldungen kontrolliert und diese bearbeitet. Die damit einhergehenden Dokumentationspflichten sind nicht zu unterschätzen. Insbesondere das Verhältnis zum Datenschutz, also zur DSGVO und zum BDSG, sowie zu bestehenden Verschwiegenheits- oder Geheimhaltungsbestimmungen muss geprüft werden.
- Bei einer Anzahl von 50 bis 250 Beschäftigten muss die Umsetzung erst nach einer Übergangszeit erfolgen. Nach dem ursprünglichen Gesetzesentwurf wäre diese bis spätestens zum 17. Dezember 2023 gelaufen. Ein neues Datum steht bislang nicht fest.
- Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten müssten ihrer Verpflichtung eigentlich seit Mitte Dezember 2021 nachkommen – allerdings existiert die deutsche Regelung dazu leider noch nicht. Die betroffenen Unternehmen sind jedoch gut beraten, sich schon jetzt vorzubereiten, denn es ist mit einer Umsetzungspflicht gleich nach Inkrafttreten der deutschen Regelungen zu rechnen.
Verstöße gegen das HinSchG werden als Ordnungswidrigkeit eingestuft und können mit einer Geldbuße von bis zu 20.000 Euro belegt werden.
Definition
Wer kann Whistleblower sein?
Als Whistleblower kommen nicht nur Beschäftigte eines Unternehmens in Frage, sondern auch Geschäftspartner, Lieferanten, Dienstleister etc. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob sich die hinweisgebende Person im „normalen“ Beschäftigungs- oder ob im Beamtenverhältnis befindet. Bei Whistleblowern kann es sich um Beschäftigte, Auszubildende, Praktikanten, Teilzeitkräfte oder Selbständige handeln, hier wird keine Unterscheidung getroffen. Allerdings muss stets ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit bestehen, eine rein private Informationserlangung fällt nicht unter den Whistleblower-Schutz.
Weit gefasster Anwendungsbereich
Der gesetzliche Schutz soll für zu meldende Verstöße in bestimmten Bereichen gelten. Dies umfasst insbesondere Informationen über Verstöße gegen deutsche und europäische Rechtsvorschriften …
- zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung,
- der Produktsicherheit und -konformität,
- der Sicherheit im Straßenverkehr, die das Straßeninfrastruktursicherheitsmanagement, die Sicherheitsanforderungen in Straßentunneln sowie die Zulassung zum Beruf des Güterkraftverkehrsunternehmers oder des Personenkraftverkehrsunternehmers betreffen,
- der Gewährleistung der Eisenbahnbetriebssicherheit,
- der Sicherheit im Seeverkehr,
- der zivilen Luftverkehrssicherheit,
- der sicheren Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, per Eisenbahn und per Binnenschiff,
- zum Umweltschutz,
- zum Strahlenschutz und zur kerntechnischen Sicherheit,
- der Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und der Energieeffizienz,
- zur Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, zur ökologischen Produktion und zur Kennzeichnung von ökologischen Erzeugnissen, zum Schutz geografischer Angaben für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel sowie zum Inverkehrbringen und Verwenden von Pflanzenschutzmitteln und zur Tiergesundheit und zum Tierschutz,
- zu Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe und Substanzen menschlichen Ursprungs, Human- und Tierarzneimittel, Medizinprodukte sowie die grenzüberschreitende Patientenversorgung,
- zur Herstellung, zur Aufmachung und zum Verkauf von Tabak- und verwandten Erzeugnissen,
- der Verbraucherrechte und des Verbraucherschutzes,
- zum Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und zum Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation,
- zum Schutz personenbezogener Daten,
- zur Sicherheit in der Informationstechnik,
- zur Regelung der Rechte von Aktionären von Aktiengesellschaften,
- zur Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse,
- zur Rechnungslegung einschließlich der Buchführung von Unternehmen, die kapitalmarktorientiert sind,
- für Auftraggeber zum Verfahren der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen,
- der Finanzdienstleistungsaufsicht,
- bestimmter steuerrechtliche Vorgaben sowie
- über Straftaten und bestimmte Ordnungswidrigkeiten (z. B. gegen Vorschriften zum Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit).
Hinweisgebersystem: Einrichtung von Meldestellen
Wem ein Verstoß gegen Vorschriften in den genannten Bereichen bekannt wird, soll die Möglichkeit haben, sich an eine interne oder externe Meldestelle zu wenden. Wenn ein Unternehmen keine eigene Inhouse-Lösung bereitstellen kann oder will, so besteht die Möglichkeit, z. B. eine Rechtsanwaltskanzlei damit zu beauftragen, also eine entsprechende Dienstleistung einzukaufen – sofern dabei die Vertraulichkeit gewahrt bleibt. Auch der Betrieb einer gemeinsamen Meldestelle ist möglich, so dass mehrere Unternehmen also ein gemeinsames System betreiben und nutzen können.
Info
Zentrale externe Meldestelle
Eine zentrale externe Meldestelle soll beim Bundesamt der Justiz eingerichtet werden, eine weitere für bestimmte Meldungen beim Bundeskartellamt.
Die Meldestellen müssen einen vertrauensvollen Austausch von Informationen gewährleisten, damit die Identität der hinweisgebenden Personen auch vertraulich bleibt. Die geänderte Fassung des Hinweisgeberschutzgesetzes sieht vor, dass auch anonyme Meldungen und Kommunikation ab dem 1. Januar 2025 möglich sein müssen. Hinweise müssen sich sowohl schriftlich, also auch mündlich (z.B. per Telefon) übermitteln lassen.
Tipp
Dienstleister für Whistleblowing-Systeme
Es gibt bereits einige Dienstleister, die Whistleblowing-Systeme anbieten. Dazu zählen beispielsweise EQS Integrity Line , Konfidal , Whistleblower Software oder auch Whistleblowing & Case Management System.
Unternehmen müssen über Meldestellen informieren
Das HinSchG verlangt von den betroffenen Unternehmen neben der Einrichtung der Meldestellen auch die Bereitstellung von bestimmten Pflichtinformationen (z. B. im Intranet oder auf der Website) darüber, dass eine solche Meldestelle existiert und wie über diese Meldungen eingereicht werden können. Unter dem Strich läuft es, gerade für größere Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern, auf die Pflicht zum Betrieb eines Compliance-Management-Systems hinaus.