Innergemeinschaftlicher Erwerb

Der Einkauf von Waren und Produkten ist Teil des Unternehmeralltags. Bei Einkäufen innerhalb Deutschlands wirft das in der Regel keine Fragen auf. Aber was ist, wenn es eine Ware nur im EU-Ausland gibt oder das Angebot dort einfach besser ist? Wo und wie müssen Sie Wareneinkäufe in diesem Fall versteuern? Was gilt es zu beachten und gibt es Ausnahmen? Geregelt ist das Ganze im Umsatzsteuergesetz. Erwerbe innerhalb der EU zählen als sogenannte innergemeinschaftliche Erwerbe (ig Erwerbe). Was das genau bedeutet und wie Sie solche Geschäfte richtig versteuern, erfahren Sie hier.

Hinweis: Gendergerechte Sprache ist uns wichtig. Daher verwenden wir auf diesem Portal, wann immer möglich, genderneutrale Bezeichnungen. Daneben weichen wir auf das generische Maskulinum aus. Hiermit sind ausdrücklich alle Geschlechter (m/w/d) mitgemeint. Diese Vorgehensweise hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keinerlei Wertung.

Zuletzt aktualisiert am:19.12.2023

Zusammenfassung

Innergemeinschaftlicher Erwerb im Überblick

  • Als innergemeinschaftlicher Erwerb gilt der Einkauf von Waren aus einem anderen EU-Staat innerhalb von Unternehmen. 
  • Der innergemeinschaftliche Erwerb ist durch das Umsatzsteuergesetz geregelt. 
  • Umsatzsteuer fällt grundsätzlich im Land des Erwerbers durch den Erwerber an und unterliegt den gleichen Regelungen zur Umsatzsteuer wie Umsätze innerhalb des Landes. 
  • Unternehmen müssen innergemeinschaftliche Erwerbe in der Umsatzsteuervoranmeldung ausweisen und können gleich den innerdeutschen Regeln den Vorsteuerabzug vornehmen. 
  • Abzugrenzen ist die Regelung von innergemeinschaftlichen Lieferungen und innergemeinschaftlichem Verbringen. 
  • Die Regelung vereinfacht den Wareneinkauf in der EU und reduziert Bürokratie für Unternehmen. 
  • Für einige Gruppen bleibt der innergemeinschaftliche Erwerb bis zur Erwerbsschwelle von 12.500 € steuerfrei. Auf diese Regelung kann freiwillig verzichtet werden. 

Definition: Was ist innergemeinschaftlicher Erwerb?

Der innergemeinschaftliche Erwerb ist in § 1a UStG geregelt. Laut Umsatzsteuergesetz liegt ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor, wenn Sie von einem Unternehmen gegen Entgelt Waren aus einem anderen EU-Land bestellen, sich diese liefern lassen und in Ihrem Unternehmen nutzen.

Info

Produkte vs. Dienstleistungen

Der innergemeinschaftliche Erwerb bezieht sich nur auf den Einkauf von physischen Waren, Gegenständen und Produkten und nicht auf den Einkauf von Dienstleistungen. Hier greifen andere Regelungen. Ebenso gilt die Regelung nur für Geschäfte zwischen Unternehmen in EU-Mitgliedstaaten (Gemeinschaftsgebiet), nicht für den Einkauf aus Drittländern.

Was bedeutet das für die Umsatzsteuer?

Die Umsatzsteuer wird grundsätzlich in dem Land fällig, in das die Ware geliefert und in dem sie genutzt wird. Also dort, wo Sie tätig sind und Ihren Unternehmenssitz haben. Die Höhe und Regelungen zur Abfuhr der Umsatzsteuer sind dabei die gleichen wie bei Geschäften innerhalb Deutschlands.

Hintergrund und Voraussetzungen für die Anwendung

Hinter der umsatzsteuerlichen Regelung stehen zwei Gedanken: 

  1. Bestimmungslandprinzip: Lieferungen an Unternehmen sollen im Land des Unternehmens, das die Produkte erworben hat, versteuert werden. Dieses Prinzip gilt einheitlich in allen Mitgliedstaaten der EU. 

  2. Abbau von Bürokratie und vereinfachter Wareneinkauf innerhalb der EU: Bevor das Gesetz 1992 eingeführt wurde, gelangten Staaten durch die Einfuhrumsatzsteuer und Zollgebühren zu Steuereinnahmen (bzw. bis heute in Fällen, bei denen kein innergemeinschaftlicher Erwerb vorliegt). Innergemeinschaftliche Erwerbe erleichtern den Warenverkehr in der EU und die Mitgliedstaaten kommen trotzdem zu ihren Steuereinnahmen.

Diese (juristischen) Voraussetzungen müssen für den innergemeinschaftlichen Erwerb erfüllt sein

  • Der Käufer (Erwerber) muss Unternehmer sein. 
  • Er muss das Produkt für sein Unternehmen kaufen und es dort einsetzen; darf es also nicht als private Person erwerben und nutzen.
  • Dem Lieferanten muss die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers mitgeteilt werden und diese muss auf der Rechnung ausgewiesen sein.
  • In der Rechnung des Verkäufers darf keine Umsatzsteuer ausgewiesen werden.
  • Es greifen keine Sonderregelungen zur Steuerbefreiung.
     

Umsatzsteuerregelungen beim innergemeinschaftlichen Erwerb

Genauso wie Umsätze innerhalb Deutschlands unterliegen innergemeinschaftliche Erwerbe der deutschen Umsatzsteuer. Je nach Ware oder Produkt beträgt der Steuerschlüssel 19 % im Regelsteuersatz oder 7 % beim ermäßigten Steuersatz.

Bei der Umsatzsteuervoranmeldung müssen Sie diese Umsätze ebenso erfassen.

Bemessungsgrundlage und Vorsteuerabzug

Bemessungsgrundlage der Steuer ist der Betrag, der auf der Rechnung ausgewiesen ist. Genauso wie bei Umsätzen im Inland können Sie die Umsatzsteuer als Vorsteuer wieder abziehen. Den Vorsteuerabzug tragen Sie in diesem Fall ebenfalls in der speziell dafür vorgesehenen Zeile der Umsatzsteuervoranmeldung ein.

Info

Beispiel für einen innergemeinschaftlichen Erwerb und die richtigen steuerlichen Angaben

Sie lassen sich neue Büroausstattung im Wert von 5.000 € aus den Niederlanden nach Deutschland liefern. Die Bemessungsgrundlage beträgt also 5.000 €. Die anzumeldende Umsatzsteuer von 19 % beträgt 950 €. Den gleichen Betrag geben Sie euch beim Vorsteuerabzug an.  

Gemäß den Regelungen der ordnungsgemäßen Buchführung dürfen Sie die Beträge nicht gegeneinander aufrechnen, sondern müssen beide an den entsprechenden Stellen aufführen.

Steuerfreier innergemeinschaftlicher Erwerb

Für einige Selbstständige ist der innergemeinschaftliche Erwerb steuerfrei. Für diese Gruppen gibt es Ausnahmen von der Steuerpflicht:  

  • Kleinunternehmer: Wer unter die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG fällt, zahlt weder Umsatzsteuer noch Vorsteuer, was auch beim innergemeinschaftlichen Erwerb gilt.
  • Land- und Forstwirte mit pauschaler Umsatzbesteuerung
  • Erwerber, die ausschließlich steuerfreie Umsätze erzielen, z. B. Ärzte, Vermieter, Vereine

Achtung

Erwerbsschwelle beachten

Die genannten Gruppen sind nur von der Erwerbsbesteuerung befreit, solange der Erwerbsbetrag 12.500 € pro Jahr nicht überschreitet. Ansonsten fällt auch für sie die Umsatzsteuer an. Bestimmte Gruppen besitzen keine USt-IdNr. (z. B. Kleinunternehmer). Da die Abfuhr der Umsatzsteuer auch beim innergemeinschaftlichen Erwerb aber nicht ohne USt-ID möglich ist, müssen Sie im Fall eine solche beim Bundeszentralamt für Steuern beantragen.

Ausnahmen: Bestimmte Waren sind von der Erwerbsschwelle ausgenommen. Das heißt, es fällt immer Umsatzsteuer an – unabhängig von der Erwerbshöhe. Dazu gehören:  

  • Erwerb neuer Fahrzeuge 

  • Erwerb verbrauchssteuerpflichtiger Waren wie Alkohol und alkoholische Getränke, Tabakwaren und Mineralöl

Freiwillig auf die Steuerfreiheit verzichten?

Nehmen wir an, Sie sind Kleinunternehmer nach § 19 UStG und können innergemeinschaftliche Erwerbe steuerfrei tätigen. In manchen Fällen ist es jedoch sinnvoll, auf diese Regelung zu verzichten und freiwillig Umsatzsteuer zu zahlen. Eine Besteuerung Ihrerseits ist nämlich dann vorteilhaft, wenn die Umsatzsteuer im Herkunftsland höher als in Deutschland ist. Wenn Sie umsatzsteuerfreier Kleinunternehmer sind, weist der Verkäufer die Umsatzsteuer in Höhe seines Landes auf der Rechnung aus und führt sie in seinem Land ab. Ist diese höher als in Deutschland, wird es logischerweise teurer für Sie. Dann ergibt es Sinn, auf die Regelung zu verzichten. Denken Sie nur daran, dass Sie eine USt-IdNr. benötigen und diese dem Verkäufer mitteilen müssen.  

Die deutsche Umsatzsteuer verbuchen Sie wie oben beschrieben. Vorsteuer können Sie jedoch nicht abziehen. In diesem Fall handelt es sich um einen innergemeinschaftlichen Erwerb ohne Vorsteuerabzug.

Unterschied zu innergemeinschaftlichem Verbringen und innergemeinschaftlicher Lieferung

Der innergemeinschaftliche Erwerb ist abzugrenzen vom innergemeinschaftlichen Verbringen und innergemeinschaftlichen Lieferungen. Gemeinsamkeit ist eine Geschäftsbeziehung zwischen Unternehmen aus EU-Staaten. Das sind die Unterschiede:

Innergemeinschaftliche Lieferung

Eine innergemeinschaftliche Lieferung meint, wenn Waren von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen durch einen Lieferanten gebracht werden. Die tatsächliche physische Grenzüberquerung ist dabei entscheidend. Ein innergemeinschaftlicher Erwerb setzt immer eine innergemeinschaftliche Lieferung voraus. Schließlich muss die Ware vom Verkäufer zum Erwerber gelangen. Die innergemeinschaftliche Lieferung selbst ist steuerfrei. Der Lieferant erhebt für seine Leistung also keine Umsatzsteuer.

Innergemeinschaftliches Verbringen

Diese Regelung ist etwas kompliziert, lässt sich jedoch an einem Beispiel gut veranschaulichen: Ihr Unternehmen hat in Deutschland und Frankreich eine Niederlassung. Sie bringen eine Maschine von Frankreich nach Deutschland, um sie dort zu nutzen. Jetzt kommt es darauf an: Nutzen Sie die Maschine nur vorübergehend in Deutschland und lassen sie anschließend zurück nach Frankreich bringen, liegt ein innergemeinschaftliches Verbringen vor, was steuerfrei bleibt. Verbleibt die Maschine jedoch dauerhaft in Deutschland, liegt in Frankreich eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung und in Deutschland ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb vor. 

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