Reverse-Charge-Verfahren: Das hat es mit der Umkehr der Steuerschuldnerschaft auf sich

Das Umsatzsteuergesetz (UStG) besagt, dass der leistende Unternehmer mit seiner Rechnung die Umsatzsteuer von seinen Kunden einholt. Diese liegt bei 19 %. In einigen Fällen wie bei der Vermietung von Wohnräumen ist sie auf 7 % reduziert. In einem zweiten Schritt führt er die Umsatzsteuer an das Finanzamt ab. Somit handelt es sich um einen durchlaufenden Posten. Ganz gleich, ob Sie selbstständig sind oder ein Unternehmen führen, werden Sie mit dieser Regelung sicherlich vertraut sein. Doch wie steht es um Lieferungen von Waren und Dienstleistungen ins Ausland? An dieser Stelle greift das sogenannte Reverse-Charge-Verfahren. Was Reverse Charge genau bedeutet und welche Auswirkungen es für Unternehmer hat, erfahren Sie in diesem Beitrag.

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Zuletzt aktualisiert am:12.12.2023

Definition

Was ist das Reverse-Charge-Verfahren?

Beim Reverse-Charge-Verfahren handelt es sich um die Umkehr der Steuerschuld. Gemäß dieser Sonderregelung muss nicht der Leistungserbringer, sondern der Empfänger die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Infolgedessen darf der Rechnungssteller lediglich eine Netto-Rechnung ausstellen und muss die Umsatzsteuer weglassen. Anwendung findet das Reverse-Charge-Verfahren im EU-Ausland sowie bei grenzüberschreitenden Lieferungen in Drittländern wie der Schweiz und den USA. 

Sind Sie als Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt, haben Sie die Möglichkeit, die Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend zu machen. Voraussetzung dafür ist, dass Sie Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts sind. Außerdem müssen Sie eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer besitzen. Zudem dürfen Sie nicht die Kleinunternehmerregelung anwenden.

Achtung

Gilt das Reverse-Charge-Verfahren auch für Kleinunternehmer?

Nein! Bei Kleinunternehmern greift das Reverse-Charge-Verfahren nicht. Erhalten Kleinunternehmer, deren Umsätze 22.000 Euro im Jahr nicht übersteigen, Lieferungen aus dem Ausland, stehen sie vor einem Problem. In ihrem Fall wären sie dazu verpflichtet, die Umsatzsteuer für das Drittland im Reverse-Charge-Verfahren an das Finanzamt abzuführen. Gleichzeitig haben sie nicht das Recht, die Summe als Vorsteuer geltend zu machen. Demnach müssten sie den Betrag aus eigener Tasche bezahlen. Daher ist es für Kleinunternehmer ratsamer, Leistungen im Inland zu beziehen.

Welche Leistungen fallen unter das Reverse-Charge-Verfahren?

Zum Einsatz kommt das Reverse-Charge-Verfahren, wenn zwei B2B-Unternehmen ein grenzübergreifendes Geschäft abschließen. Dabei sind die genauen Regelungen vom jeweiligen Land abhängig. In Deutschland ist in § 13b Abs. 2 UStG  festgelegt, bei welchen Leistungen Unternehmen Reverse-Charge buchen müssen. Dazu zählen zum Beispiel

  • Werklieferungen eines Unternehmers im Ausland
  • Bauleistungen
  • Lieferung sicherungsübereigneter Gegenstände außerhalb des Insolvenzverfahrens
  • Gebäudereinigungen
  • Lieferungen von Gold 
  • Lieferung Gas und Elektrizität
  • Leistungen im Bereich der Telekommunikation
  • Umsätze, die zum Grunderwerbsteuergesetz zählen
  • Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern und Spielekonsolen

Achtung

Wichtig: Bei Waren ist eine Gelangensbestätigung notwendig

Damit Waren bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung von der Umsatzsteuer befreit werden, ist die Gelangensbestätigung notwendig. Das ist ein Nachweis darüber, dass die Ware auch tatsächlich angekommen ist. Der Leistungsempfänger hat mehrere Möglichkeiten, die Lieferung zu bestätigen: etwa mit einer Quittung oder einem Abliefernachweis.

Warum gibt es das Reverse-Charge-Verfahren?

Das Reverse-Charge-Verfahren verfolgt das Ziel, das Risiko der Umsatzsteuerbetrüge zu senken. Diese Vorfälle gab es in der Vergangenheit bei den verpflichteten Leistungen besonders häufig. Beim sogenannten Karussellbetrug kooperieren mehrere Unternehmen aus unterschiedlichen EU-Staaten. Dabei führt einer der Händler die einbezogene Umsatzsteuer nicht ab. Währenddessen machen die weiteren involvierten Abnehmer die Vorsteuer geltend und erhalten sie vom Finanzamt zurück. Auf diese Weise wurden in den letzten Jahren diverse Staaten und Steuerzahler jährlich um Milliarden Euro betrogen.

Darüber hinaus ergeben sich weitere Vorteile für das Finanzamt sowie für den Leistungsersteller und Leistungserbringer:

  • Vorteile für das Finanzamt: Das Reverse-Charge-Verfahren vereinfacht die Arbeit des Finanzamts. Es muss keine Steueransprüche im Ausland vollstrecken.
  • Vorteile für den Leistungsempfänger: Der Steuerschuldner, also der Leistungsempfänger, muss sich nicht an das jeweilige ausländische Finanzamt wenden. Das erspart eine Menge Zeit, Arbeit und Kosten für eine mögliche Beratung. Dank des Vorsteuerabzugs muss der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nicht vorstrecken.
  • Vorteile für den Leistungserbringer: Der Leistungserbringer spart sich ebenfalls Zeit und Arbeit. Grund dafür ist, dass er diese Vorgänge nicht beim Finanzamt angeben und die Umsatzsteuer entrichten muss. Quartalsweise steht eine zusammenfassende Meldung über alle EU-weiten Geschäftsaktivitäten beim Bundeszentralamt für Steuern an. Diesen Vorgang erledigen in der Regel die meisten Steuerberater automatisch.

Wie sieht eine korrekte Rechnung im Reverse-Charge-Verfahren aus?

Stellen Sie eine Rechnung innerhalb des Reverse-Charge-Verfahrens, sollten Sie auf gewisse Angaben und Formalitäten achten. Zunächst muss die Rechnung die grundlegenden Pflichtangaben enthalten. Diese umfassen folgende Punkte:

  • Vollständiger Name und Anschrift des Leistungsempfängers und Leistungserbringers
  • Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
  • Fortlaufende Rechnungsnummer
  • Rechnungsdatum
  • Umfang und Beschreibung der gelieferten Waren oder Dienstleistungen
  • Zeitpunkt der Lieferung oder Erbringung der Leistung
  • Zahlungsziel
  • Netto-Betrag der vereinbarten Waren und Dienstleistungen
  • Anwendung der jeweils geltenden Steuersätze
  • Vorab vereinbarte Preisminderungen (z. B. Skonto oder Rabattierung)

Bei einer Rechnung nach § 13b UStG dürfen Sie als leistender Unternehmer die Umsatzsteuer auf der Rechnung nicht ausweisen. Sie vermerken dort allein den Nettobetrag. Schließlich übernimmt beim Reverse-Charge-Verfahren der Leistungsempfänger die Abführung der Umsatzsteuer. Zusätzlich müssen Sie auf der Rechnung ausdrücklich die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens benennen. Demnach muss der Leistungsempfänger vom Leistungserbringer auf seine Steuerschuld verwiesen werden. Dafür ist der Hinweis „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ am Ende der Rechnung zulässig.

Zusammenfassung

Reverse-Charge-Verfahren zusammengefasst

  • Im Umsatzsteuergesetz ist es üblich, dass der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer auf seiner Rechnung aufweist. Diese führt er dann an das Finanzamt ab.
  • Das Reverse-Charge-Verfahrenkehrt die Steuerschuld um. Folglich muss der Empfänger der Leistung die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen.
  • Es wird bei grenzüberschreitenden Lieferungen im EU-Ausland sowie bei Drittländern angewandt. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um B2B-Unternehmen handelt.
  • Der Leistungsempfänger hat die Möglichkeit, die Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend zu machen. Dafür muss es sich um einen Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts handeln. Eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer muss ebenfalls vorliegen.
  • Für Kleinunternehmer gilt das Reverse-Charge-Verfahren nicht. Kaufen sie Waren oder Dienstleistungen aus dem Ausland, müssen sie die Umsatzsteuer selbst an das Finanzamt abführen. Allerdings dürfen sie den Betrag nicht als Vorsteuer geltend machen.
  • Mithilfe des Reverse-Charge-Verfahrens sollen Umsatzsteuerbetrüge vermieden werden. Insbesondere geht es hier um den Karussellbetrug zwischen mehreren Händlern.
  • Zu den Pflichten der Rechnungsstellung gehört der Hinweis auf die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens. Das geht mit den Worten „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“.
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