Vertriebsstrategie: Grundsatzentscheidung zwischen Kunde und Produkt
So richten Sie Ihre Vertriebsorganisation nach Produktgruppen aus
Kleine Unternehmen sind meist sehr produktorientiert. Sie sind erfolgreich mit einer cleveren, häufig technischen Geschäftsidee, die sich auf wenige Produkte stützt. Dies prägt auch die Vertriebsabteilung, die oft an Produktgruppen orientiert ist. Solange nur eine Produktgruppe vorhanden ist, ist das in Ordnung.
Eine produktorientierte Vertriebsabteilung muss v.a. die folgenden Bereiche abdecken:
- Kernprodukte verkaufen: Die eigentlichen Produkte, die zunächst vom Kunden gekauft werden, gehören zum harten Kern.
- Zubehör/Ersatzteile verkaufen: Nicht alle, aber viele Produkte können durch Zubehörteile erweitert oder verbessert werden. Ersatzteile müssen verkauft werden, wenn es sich um reparaturfähige Produkte handelt.
- Service sicherstellen: Maschinen und technische Geräte benötigen Serviceleistungen, auch über den Kauf hinaus.
Es ist offensichtlich, dass die Verkaufsaufgaben in den 3 produktorientierten Bereichen sehr unterschiedlich charakterisiert sind:
- Die Ansprechpartner beim Kunden sind jeweils andere. Die Maschine wird über den Einkauf (Verhandlungen mit dem Einkäufer) verkauft, Ersatzteile und Service werden vom verantwortlichen Techniker bestellt.
- Die Verhandlungen bis zur Auftragsvergabe sind anders, da der Käufer für Zubehör und Ersatzteile keine Alternativen zum liefernden Unternehmen hat.
- Bei der Lieferung von Ersatzteilen oder Serviceleistungen besteht ein höherer Zeitdruck.
- Die Lieferwege sind unterschiedlich, z. B. für Kernleistungen Spediteure, eigene LKW oder Stammmannschaft, für Ersatzteile und Zubehör wird häufig ein Paketdienst verwendet.
- Die Preisfindung ist charakteristisch. Bei Kernprodukten gibt es meist Preisverhandlungen. Für Ersatzteile und Zubehör gibt es Preislisten. Der Service wird nach Aufwand berechnet.
Für jede im Unternehmen vorhandene Produktgruppe müssen alle Vertriebsfunktionen vorhanden sein. Es kann sinnvoll sein, diese pro Produktgruppe zusammenzufassen oder produktgruppenübergreifende Organisationstrukturen zu bilden. In der Praxis sind v.a. diese Formen häufig:
- Strikte Trennung: Für jede Produktegruppe werden die Funktionen Kernprodukt, Ersatzteil/Zubehör und Service eigenständig aufgebaut. Es gibt eine strikte Trennung zu den anderen Produktgruppen.
- Artikelkonzentration: Es kann sinnvoll sein, die Kernprodukte und Ersatzteile/Zubehör je Produktgruppe zu organisieren. Der Service wird jedoch gemeinsam für alle Produktgruppen erledigt.
- Produktkonzentration: In der dritten Organisationsform sind nur noch die Kernprodukte im Vertrieb organisatorisch getrennt. Zubehör/Ersatzteile und Service werden gemeinsam für alle Produktgruppen erledigt.
So richten Sie Ihre Vertriebsorganisation nach Kundengruppen aus
Unterscheidung | Privatkunden | Unternehmenskunden | Staatliche Kunden |
---|---|---|---|
Verhandlungsprozess | oft ungeordnet | strukturiert | rechtlich vorgegeben |
Betreuungsbedarf | sehr hoch | mittel | gering |
Kaufentscheidung | häufig emotional | rational | rechtlich vorgegeben |
Zeitdruck | moderat | hoch | moderat |
Ansprüche an Service | hoch | moderat | gering |
Preisfindung | emotional | rational | rechtlich vorgegeben |
Es gilt also, die Vertriebsabteilung so aufzubauen, dass Privatkunden mit vielen Emotionen und hohem Informationsbedarf ebenso optimal betreut werden wie Einkäufer in Industrie oder Sachbearbeiter in Behörden.
Sonderfall: Der Vertrieb via Internet
Eine besondere Beachtung findet der Vertriebsweg über das Internet in der Verkaufsabteilung. Die Wünsche des Kunden müssen hierbei über den Internetshop befriedigt werden. Dabei spielen technische und psychologische Kriterien eine Rolle. Der Internetshop wird von IT-Fachleuten betrieben. Die Darstellung der Produkte, die Preisfindung und die Kommunikation über digitale Medien oder soziale Netzwerke ist Aufgabe von Menschen, die sich mit dieser Materie auskennen. Es macht wenig Sinn, einen Internetshop ausschließlich von derselben Vertriebsmannschaft betreuen zu lassen, die in traditionellen Vertriebswegen erfolgreich ist, aber keine Affinität zum Internet.
Beispiel: Die Anforderungen der Industrie
Der Handwerksmeister Wiethe hatte seinen Betrieb für Sanitär und Heizung bereits vor Jahren auf Wohnhäuser spezialisiert. Er arbeitet sowohl für Privatkunden als auch für Bauunternehmen, die größere Wohneinheiten fertigen. Doch in der Vergangenheit verlor Wiethe immer öfter im Kampf um die lukrativen Großaufträge. Neben dem Meister selbst gibt es einen Mitarbeiter für die Auftragssteuerung und eine Verkäuferin für das Einzelhandelsgeschäft für Sanitäreinrichtungen. Die Buchhaltung erledigt der Steuerberater.
Die Entwicklung der Umsätze im Großauftragsbereich war bedenklich, ein Grund für neue Überlegungen zur Unternehmensausrichtung. Eine ehrliche Analyse auch des eigenen Verhaltens machte klar, dass der Meister sich im Umgang mit den geschulten Einkäufern der Bauunternehmen nie richtig wohl gefühlt hatte. Die Anforderungen der Einkaufsprofis an die Betreuung waren immer umfangreicher geworden. Die Reorganisation der Vertriebsaufgaben brachte die Wende.
Meister Wiethe kümmert sich jetzt nur noch um die Privatkunden. Er betreut diese intensiv, auch auf den Baustellen. Nach einer Vertriebsschulung übernimmt jetzt der Mitarbeiter, der bisher die gesamte Auftragssteuerung erledigt hatte, den Kontakt mit den Einkäufern der Bauunternehmen. Entlastet wird er durch den Meister, der jetzt die Auftragssteuerung der Privatraufträge selbst übernimmt. Dadurch findet sich die Zeit, spezifischere Angebote mit den Einkäufern auszuarbeiten, diese detailliert zu besprechen und anzupassen. Der Kontakt ist eng und erfolgreich. Selbstverständlich arbeitet der Meister bei der Erstellung der Angebote mit. Die Großkunden sind zufrieden, weil die Aufträge besser skalierbar sind. Außerdem haben die Einkäufer immer einen kompetenten Ansprechpartner, der Zeit für sie hat – das beruhigt.