Disruptive Technologien: Chancen und Herausforderungen für Unternehmen

Smartphones, Digitalkameras, Flachbildfernseher und Kryptowährung – Technologien und Geschäftsmodelle wie diese haben die Gesellschaft in den letzten Jahren grundlegend verändert. Der Trend der disruptiven Technologien scheint unaufhaltsam und ist heutzutage für Unternehmen unabdingbar, um langfristig erfolgreich zu sein. Was disruptive Technologien sind und welche Chancen und Herausforderungen sie für Ihr Unternehmen bergen, erfahren Sie Im Folgenden.

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Zuletzt aktualisiert am:04.04.2024

Disruptive Technologien: Was steckt dahinter?

Disruptive Innovation beschreibt im Allgemeinen Technologien, die bekannte Produkte oder Dienstleistungen verdrängen. Sukzessiv werden schließlich die jeweiligen Unternehmen selbst zum Marktführer. Die Theorie besagt, dass führende Firmen sie zunächst aufgrund ihrer begrenzten Reichweite oder geringeren Produkt- und Servicequalität unterschätzen.

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Beispiel aus der Praxis: Spotify

Ein typisches Beispiel für disruptive Technologien ist der Audio-Streaming-Dienst Spotify, der mit einem Abo-Service den Nutzen physischer Verkäufe von Musik und Hörbüchern minimierte.

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Was ist der Unterschied zwischen Innovation und Disruption?

Innovationen sind Verbesserungen von Produkten oder Dienstleistungen, wie es bei neuen Handymodellen der Fall ist. Die Definition von disruptiven Technologien hingegen bezieht sich auf technologische Fortschritte, die bestehende Geschäftsmodelle grundlegend verändern und sogar etablierte Unternehmen vom Markt verdrängen. Smartphones machten beispielsweise Festnetztelefone fast vollständig obsolet.

Welche Arten disruptiver Technologien gibt es?

In der Welt technologischer Disruption wird in der Regel zwischen zwei Arten unterschieden:

  • Low-End Disruption: Bei Low-End Disruptionen versuchen neue Firmen mit einem kosteneffizienten Geschäftsmodell das unterste Zielgruppensegment eines etablierten Markts zu erreichen. Typische Merkmale einer solchen disruptiven Innovation sind eine geringere Angebotsqualität sowie niedrigere Preise und Margen. Als beispielsweise Canon mit der Herstellung günstiger Fotokopierer begann, stellte die Firma keine Bedrohung für Xerox dar. Xerox war Vorreiter des Marktes und nutzte die neuesten Technologien. Canon wurde letztlich aufgrund seines Fokus auf den Massenmarkt zum Marktführer: Die Käufer konnten auf die beste Qualität verzichten und wollten weniger für einen Kopierer ausgeben.
  • New-Market Disruption: New-Market Disruption unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt: Low-End Disruptionen wollen bestehende Firmen aus einem bestimmten Zielgruppensegment entfernen. New-Market Disruptionen hingegen sprechen neue Märkte an, die von den bisherigen Anbietern vernachlässigt wurden. Zunächst wird Nutzern ein günstigeres und simpleres Produkt geboten – oft wird die Leistungsfähigkeit jedoch immer besser und verdrängt schließlich führende Firmen. Ein Beispiel dafür sind Computer für Privatpersonen: Die ersten Computer waren für Universitäten und Unternehmen vorgesehen und dementsprechend unerschwinglich.

Beispiele disruptiver Technologien aus Deutschland

Auch in deutschen Unternehmen finden sich einige spannende Beispiele für disruptive Technologien:

  • TWIN-Aufzüge von Thyssenkrupp: Im Jahr 2002 führte der Industriekonzern die TWIN-Aufzüge ein: Zwei übereinander liegende Kabinen befinden sich in einem Schacht und können gleichzeitig verschiedene Ebenen erreichen. Das sparte Thyssenkrupp 25 % an Platz ein und 40 % mehr Menschen konnten ihr Ziel schneller ansteuern.
  • Das MP3-Format vom Fraunhofer Institut: 1982 entwickelte das Fraunhofer Institut das MP3-Format, um die Telefonqualität zu verbessern. Dafür komprimierten sie Audiodateien, indem sie unnötige Frequenzen herausfilterten. Dieser Durchbruch bildete die Basis für disruptive Geschäftsmodelle – zum Beispiel von iTunes, Sony und anderen Musikanbietern.

Gründe für disruptive Innovationen

Disruptive Veränderungen verlangen Mut, Risikobereitschaft und Ressourcen. Angesichts dieser Tatsache stellt sich die Frage, was sich Unternehmen von der Entwicklung disruptiver Produkte und Dienstleistungen versprechen:

  • Erschaffung neuer Absatzmärkte: Neue Produkte und Dienstleistungen eröffnen mit einzigartigen Alleinstellungsmerkmalen neue Absatzmärkte. Mit der Einführung von Discmans sprachen Unternehmen beispielsweise Leute an, die Audioinhalte unterwegs konsumieren wollten. Derartige disruptive Veränderungen haben das Potenzial, neue Kunden anzusprechen und den Umsatz zu maximieren.
  • Disruption als Grundlage neuer digitaler Geschäftsmodelle: Gemeinsam mit der Erschaffung neuer Absatzmärkte hängt auch die Entstehung neuer Geschäftsmodelle zusammen. Unternehmen könnten durch Ideen mit Disruptionspotenzial weitere Einnahmequelle generieren, die Konkurrenz abhängen und sich neu erfinden.
  • Einsatz neuer Entwicklungsmethoden: Der Einsatz neuer Entwicklungsmethoden birgt viel Zukunftspotenzial. Open Innovation steht für die Öffnung von Prozessen der Produkt- und Innovationsentwicklung. Der Austausch von Wissen und Ideen mit anderen Unternehmen und Privatpersonen kann einen dynamischeren Fortschritt und den Zugang zu jungen Talenten und bewährten Experten ermöglichen.

Gegenüberstellung von Chancen und Risiken disruptiver Technologien

Disruption wird jedem Unternehmen geraten, das langfristig ein bedeutender Marktteilnehmer bleiben möchte. Daher lohnt es sich, einen Blick auf die Chancen und Risiken disruptiver Ideen zu werfen.

Chancen disruptiver Technologien

  • Analyse der Branche und Mitbewerber: Unternehmen sollten ihre Branche und Mitbewerber fortwährend im Blick haben, um auf neue Gegebenheiten reagieren zu können. Das kann Ihnen außerdem Inspiration für disruptive Technologien in Ihrem Unternehmen bieten.
  • Erkennung von Marktveränderungen: Mit der Analyse Ihrer Branche und Mitbewerber ist auch die Chance, Veränderungen am Markt zu erkennen, verbunden. Gleichzeitig werden Sie beobachten können, wie die jeweiligen Zielgruppen auf neue Angebote reagieren und welche Bewegungen entstehen.
  • Wahrnehmung von Kundenbedürfnissen: Die Auseinandersetzung mit Disruption eröffnet die Möglichkeit, Kundenbedürfnisse stärker wahrzunehmen. Versuchen Sie zu verstehen, mit welchen technologischen Neuerungen Sie den Alltag Ihrer Zielgruppe bereichern oder vereinfachen könnten. Schließlich bringt die ausgefallenste Disruption nichts, wenn sie keine Abnehmer findet.
  • Optimierung eigener Serviceleistungen und Technologien: Oft ist Selbst-Disruption die einzige Möglichkeit, um nicht von der Konkurrenz abgehängt zu werden. Stellen Sie Ihre aktuellen Geschäftsabläufe sowie Ihr Geschäftsmodell infrage und suchen Sie Optimierungspotenzial in Ihren Serviceleistungen und Technologien.

Risiken disruptiver Technologien

  • Verdrängung durch Konkurrenz: Insbesondere Startups entwickeln und bringen neue Technologien schnell auf den Markt. Auch wenn Ihr Unternehmen sich eingehend mit Disruption auseinandersetzt, besteht stets das Risiko von beliebteren, effizienteren oder schnelleren Unternehmen verdrängt zu werden.
  • Starke Ressourcenbeanspruchung: Disruptive Technologien können für kleine und mittelständische Unternehmen einen hohen finanziellen Aufwand bedeuten. Hinzu kommt die Beanspruchung zeitlicher, personeller und organisatorischer Ressourcen.
  • Keine Erfolgsgarantie: Schließlich ist kein Unternehmen und keine Disruption vor einem möglichen Scheitern geschützt. Es gibt keine Garantie dafür, vom Markt angenommen zu werden und nicht auf erfolgreichere Konkurrenz zu treffen.

Tipp

So können Sie auf disruptive Technologien Ihrer Mitbewerber reagieren

Großkonzerne kaufen regelmäßig Konkurrenzfirmen auf. KMUs und anderen Unternehmer, denen ein solcher Aufkauf nicht möglich ist, sollten zunächst firmenintern eine Grundlage für Disruption erschaffen. Verstärken Sie dafür das Ideenmanagement und ermöglichen Sie eine Innovationskultur: Die Nutzung von Kreativworkshops, Ideenwettbewerben und gemeinsamen Brainstormings können Ihr Innovationsmanagement ebnen.

Erfolgsfaktoren von disruptiven Innovationen in Unternehmen

  • Versteckte Kundenbedürfnisse: Neue oder versteckte Kundenbedürfnisse zu entdecken, ist gleichzeitig eine Chance und Notwendigkeit von disruptiven Technologien. Produkte oder Dienstleistungen sollen nicht allein verbessert werden – Sie müssen ganze Vorgänge neu denken. Versandapotheken haben beispielsweise ein zentrales Bedürfnis erkrankter Menschen in ihre Strategie berücksichtigt und die Kundenorientierung sichergestellt: Statt für ein Medikament das Haus zu verlassen, können Kunden ihr Rezept online hochladen und dort bestellen.
  • Trends und Marktlücken: Erfolgreiche Disruptionen setzen außerdem auf Trends und Marktlücken, ehe mögliche Mitbewerber den Markt einnehmen können. So schaffen es Unternehmen, die Aufmerksamkeit relevanter Käufergruppen und der Presse auf sich zu ziehen.
  • Zeitgemäße Kommunikation: Um disruptive Technologien bekannt zu machen, nutzen Unternehmen Kanäle, auf denen sich ihre Zielgruppe befindet: Versuchen Sie ein neues Produkt für 14- bis 25-Jährige bei Facebook zu bewerben, werden Sie keine Wirkung sehen. Finden Sie im Rahmen Ihres Facebook Marketings heraus, wo Sie Ihre Zielgruppe am besten erreichen können und treten Sie dort mit ihnen in Kontakt.
  • Neue Marktstrukturen: Die Etablierung neuer Marktstrukturen steht für die Entstehung neuer Geschäftsmodelle, die zuvor nicht da gewesene Kundensegmente bedienen. Streamingdienste haben vor allem junge Generationen abgeholt, für die Fernsehen nicht attraktiv war und die Inhalte flexibel konsumieren wollten.

Disruption erfolgreich etablieren

Um Disruption effektiv umzusetzen, müssen Unternehmen die Fähigkeit besitzen, diese voranzutreiben. Das Stichwort lautet Disruptive Thinking: Es steht dafür, im alltäglichen unternehmerischen Handeln anders zu denken. Führungskräfte und Unternehmer sollen gleichermaßen den Status quo hinterfragen und neue Ansätze für Serviceleistungen und Produkte entwickeln dürfen. Dafür muss jedoch eine offene Innovationskultur gelebt werden. Die wichtigsten Punkte haben wir Ihnen als Checkliste zusammengetragen:

  • Eigenständige Einheiten bilden: Es kann passieren, dass alteingesessene Mitarbeiter den Fortschritt im Unternehmen blockieren. Die Gründung einer eigenen Abteilung oder eines neuen Unternehmens kann das verhindern. Das Team konzentriert sich darauf, ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln und sich von alten Strukturen zu lösen.
  • Freiräume für Kreativität schaffen: In einer offenen Innovationskultur, wie sie das Konzept der New Work pflegt, gewähren Führungspersonen ihren Mitarbeitern kreative Freiräume: Ideen werden gehört und zusammen erarbeitet. Dafür muss ein Gemeinschaftssinn entstehen, der alle Organisationsmitglieder am Ideenschöpfungsprozess teilnehmen lässt.
  • Risikobereitschaft erhöhen: Gemeinsamer Nenner disruptiver Technologien ist eine erhöhte Risikobereitschaft. Niemand kann sich zum Beginn über den Erfolg sicher sein. Unternehmen müssen sich dessen bewusst sein und dennoch ihre Mitarbeiter dazu animieren, neue Ideen zu testen und kreativ zu denken.

Tipp

6-3-5-Methode für kreative Ideenfindung

Besonders populär ist die Kreativmethode 6-3-5, für die Sie sechs Teilnehmer und 30 Minuten Zeit brauchen. Die Teilnehmer verfassen zu einem bestimmten Thema jeweils drei Ideen in fünf Minuten pro Runde. Die Zettel werden immer weitergereicht, sodass Sie am Ende 108 individuelle Lösungsansätze zu einem Problem haben.

Fazit: Disruptive Technologien – eine sinnvolle Investition?

In Anbetracht der Chancen und Herausforderungen von disruptiven Technologien steht eines fest: Sie sind nicht nur eine sinnvolle, sondern auch notwendige Investition. Mit Sicherheit gibt es keine bestimmten Branchen, für die Disruption nicht relevant ist. Jedoch müssen Sie davon ausgehen, dass eine einfache Digitalisierbarkeit Ihrer Produkte oder Dienstleistungen einer erhöhten Gefährdung Ihres Geschäftsmodells durch Disruption ausgesetzt ist. Gewiss sollten Sie einschlägige Erfolge in Ihrem Unternehmen auch anerkennen und bestehende Prozesse nicht zwanghaft zerschlagen wollen.

Da es sich aber gleichzeitig immer mehr Start-ups zur Aufgabe machen, neue Lösungsansätze für alte Probleme zu finden, sollten Sie eine offene Innovationskultur in Ihrem Unternehmen etablieren und stets offen für kreative und fortschrittliche Ideen und Arbeitsmethoden sein.

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