Was ist eine Verfahrensdokumentation?
Unternehmer, die ein datenverarbeitungsgestütztes Buchungssystem verwenden oder Buchungsbelege elektronisch bzw. digital empfangen, verarbeiten oder archivieren, sind dazu verpflichtet, eine Verfahrensdokumentation zu erstellen. Dabei handelt es sich um eine Art Handbuch bzw. um einen Ablaufplan zu den internen Prozessen der digitalen Buchhaltung. Die Verfahrensdokumentation muss übersichtlich gegliedert sein.
Die Verfahrensdokumentation ist ein Baustein zur Erfüllung der strengen Voraussetzungen für die GoBD („Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufzeichnung von Büchern, Aufzeichnungen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“). Informationen zur Verfahrensdokumentation enthält ein Infoschreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF, Schreiben v. 28.11.2019, Az. IV A 4 – S 0316/19/1003:001, Randnummer 151 ff.).
Fehlt die Verfahrensdokumentation und das Finanzamt kann bestimmte Sachverhalte nicht befriedigend aufklären, kann es passieren, dass es durch diesen formellen Mangel zu Zuschätzungen zum Umsatz und zum Gewinn kommen kann.
Tipp
Steuerberater mit Tax-Compliance-Prüfung beauftragen
Nutzen Sie für Ihre selbständige Tätigkeit eine Buchhaltungssoftware oder eine elektronische Registrierkasse und haben sich bislang noch keine Gedanken zur Erstellung einer Verfahrensdokumentation gemacht, sollten Sie das unbedingt schnell nachholen. Am besten den Steuerberater mit einer Tax-Compliance-Prüfung in puncto Verfahrensdokumentation beauftragen. Das ist zwar mit Kosten verbunden, sorgt jedoch dafür, dass einer Betriebsprüfung bzw. einer Kassen-Nachschau des Finanzamts gelassen entgegengesehen werden kann.
Was ist das Ziel einer Verfahrensdokumentation?
Ziel der Verfahrensdokumentation ist es, dass sich ein sachverständiger Dritter in angemessener Zeit einen umfassenden Überblick über das datenverarbeitungsgestützte Buchhaltungssystem verschaffen kann. Mit anderen Worten: Prüfer des Finanzamts sollen durch die Verfahrensdokumentation in die Lage versetzt werden, möglichst schnell nachvollziehen zu können, ob die Grundsätze der ordnungsmäßigen Buchführung eingehalten wurden. Die Verfahrensdokumentation ist besonders wichtig, wenn in einem Prüfungszeitraum verschiedene Buchhaltungssysteme eingesetzt werden.
Wer muss eine Verfahrensdokumentation erstellen?
Die Verpflichtung, eine Verfahrensdokumentation zu erstellen, betrifft alle Unternehmer, egal in welcher Rechtsform das Unternehmen geführt wird und unabhängig davon, ob der Gewinn durch Bilanzierung oder anhand einer Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR) nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird. Die Verfahrensdokumentation ist immer dann ein Muss, wenn steuerlich relevante Buchhaltungsunterlagen elektronisch bzw. digital erstellt, archiviert, empfangen oder weiterverarbeitet werden.
Mit anderen Worten: Nur Unternehmer, die keine Buchhaltungssoftware verwenden und die keine Aufzeichnungen in digitaler oder elektronischer Form führen, müssen dem Finanzamt keine Verfahrensdokumentation vorlegen.
Tipp
E-Rechnung ab 01.01.2025 empfangen?
Seit dem 1. Januar 2025 sind Unternehmer dazu verpflichtet, von anderen Unternehmen mit Ansässigkeit in Deutschland elektronische Rechnungen empfangen und weiterverarbeiten zu können. In dem Moment, in dem solche E-Rechnungen empfangen werden, besteht grundsätzlich auch die Verpflichtung zur Erstellung einer Verfahrensdokumentation, selbst wenn ansonsten keine Buchhaltungssoftware verwendet wird.
Was passiert, wenn keine Verfahrensdokumentation erstellt wird?
In der Praxis stellt sich natürlich die Frage, was steuerlich passieren kann, sollte ein Unternehmer die Verfahrensdokumentation nicht erstellen. Dieselbe Frage stellt sich, wenn dem Finanzamt nur eine „ungenügende“ Verfahrensdokumentation im Rahmen einer Betriebsprüfung oder einer Kassen-Nachschau präsentiert wird. Antwort: Es kommt darauf an.
Sofern die Nachvollziehbarkeit und die Nachprüfbarkeit des datenverarbeitungsgestützten Buchhaltungssystems durch das Fehlen einer Verfahrensdokumentation oder durch nur ungenügende Angaben nicht beeinträchtigt sind, liegt kein formeller Mangel mit sachlichem Gewicht vor, der zum Verwerfen der Buchführung führen kann (siehe BMF, Schreiben v. 28.11.2019, Rn. 155).
Im Umkehrschluss liegt jedoch ein formeller Buchhaltungsmangel und ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung vor, wenn durch die fehlende bzw. ungenügende Verfahrensdokumentation Sachverhalte nicht hinreichend überprüft werden können. Das ist beispielsweise der Fall, wenn in einem Kassensystem keine Einzeldaten gespeichert werden können und auch kein Datenexport möglich ist und bei einem programmierbaren Kassensystem die Programmieranleitung und die Bedienungsanleitung nicht vorgelegt werden können (siehe u.a. BFH, Urteil v. 25.3.2015, Az. X R 20/13).
Achtung
Sanktionen bei fehlender Verfahrensdokumentation
Selbst wenn es aufgrund der fehlenden Verfahrensdokumentation nicht zu einer Zuschätzung zu den Umsätzen und zum Gewinn kommt, drohen Sanktionen durch das Finanzamt. Prüfer des Finanzamts könnten ein Verzögerungsgeld oder neuerdings ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festsetzen, wenn die angeforderte Verfahrensdokumentation nicht innerhalb einer bestimmten Frist vorgelegt wird.
Für welche Prozesse muss man eine Verfahrensdokumentation erstellen?
In der Verfahrensdokumentation werden verschiedene Prozesse dargestellt. Hier ein nicht abschließender Überblick, welche typischen Abläufe und Prozesse innerhalb einer Verfahrensdokumentation beschrieben werden müssen:
- Verfahrensdokumentation zur Belegablage: Hier wird dokumentiert, wie der Beleg ins DV-gestützte System kommt, wie er weiterverarbeitet und archiviert wird. Wichtig sind auch Informationen dazu, welche Personen im Unternehmen Kompetenzen zur Belegerfassung haben.
- Verfahrensdokumentation zum Ersetzenden Scannen: Hier wird nachvollziehbar festgehalten, wie im Unternehmen eingegangene Papierbelege gescannt, ins digitale Buchhaltungssystem eingespeist und weiterverarbeitet werden.
- Verfahrensdokumentation zur Kassenführung: Diese Dokumentation ist besonders wichtig und enthält unter anderem Informationen dazu, wie Bargeld und EC-Kartenzahlungen verarbeitet werden.
- Verfahrensdokumentation zu ändernden Programmierungen: Werden Änderungen an der Buchhaltungs- bzw. Kassensoftware vorgenommen, sind diese Änderungen zu dokumentieren. Wichtig auch: Bedienungsanleitungen und Programmieranleitungen für das jeweilige System sind aufzubewahren.
Tipp
Muster-Verfahrensdokumentationen
Sie können sich vergewissern, ob die von Ihnen erstellte Verfahrensdokumentation alle geforderten Informationen enthält. Es gibt verschiedene Muster-Verfahrensdokumentationen, die Sie hierfür einsehen können:
Was sind die Anforderungen der GoBD an eine Verfahrensdokumentation?
Die Verfahrensdokumentation muss so beschaffen sein, dass sich Prüfer (= sachverständige Dritte) in angemessener Zeit einen Überblick oder das genutzte DV-gestützte Buchhaltungssystem verschaffen können. Das setzt voraus, dass die Verfahrensdokumentation übersichtlich gegliedert ist. Inhalt, Aufbau und Ergebnisse des datenverarbeitungsgestützten Verfahrens müssen vollständig und schlüssig sein.
Für den Zeitraum der Aufbewahrungsfrist müssen Unternehmer gewährleisten und nachweisen, dass das in der Verfahrensdokumentation beschriebene Verfahren dem in der Praxis eingesetzten Verfahren voll entspricht. Eventuelle Änderungen müssen historisch nachvollziehbar sein (siehe u.a. BMF, Schreiben v. 28.11.2019, Rn. 151 bis 154).
Was beinhaltet die Verfahrensdokumentation bzw. wie sollte die Verfahrensdokumentation aufgebaut sein?
Damit Prüfer des Finanzamts die Verfahrensdokumentation nicht beanstanden, empfiehlt es sich, dass sie folgende Bestandteile enthält:
- Eine allgemeine Beschreibung: Hier werden Informationen zum Unternehmen und zu digitalen bzw. elektronischen Prozessen erwartet.
- Eine Anwenderdokumentation: Hier sollten Richtlinien, Handbücher oder Anweisungen erfasst werden, nach denen Mitarbeiter bei der digitalen bzw. elektronischen Belegerfassung vorgehen müssen.
- Eine technische Systemdokumentation: Hier sind Informationen zur eingesetzten Hard- und Software gefragt.
- Eine Betriebsdokumentation: Hier soll dargelegt werden, wie die Belegerfassung bei einem Systemausfall sichergestellt werden kann.
Tipp
Absprache mit Steuerberater empfehlenswert
Wie umfangreich zu jedem dieser einzelnen Bereiche der Verfahrensdokumentation Stellung genommen wird, hängt von vielen Faktoren ab. Auf der sicheren Seite stehen Sie, wenn Sie den Umfang der Verfahrensdokumentation mit Ihrem Steuerberater absprechen. Die Ausführungen der Verfahrensdokumentation können natürlich mit Verweis auf verschiedene Unterlagen und Dateien ergänzt werden.
Checkliste zur Erstellung einer Verfahrensdokumentation
Erstellen Sie (erstmals) eine Verfahrensdokumentation für Ihr DV-gestütztes Buchhaltungs- und Kassensystem, empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:
- Werfen Sie einen Blick in die Ausführungen zur Verfahrensdokumentation im BMF-Schreiben v. 28.11.2019 (Az. IV A 4 – S 0316/19/1003:001), speziell zu Randnummern 151 bis 155.
- Nutzen Sie eine vorhandene Muster-Verfahrensdokumentation und orientieren Sie sich an deren Aufbau und an deren Inhalten.
- Sind Sie unsicher, bitten Sie Ihren Steuerberater, die erstellte Verfahrensdokumentation zu überprüfen und gegebenenfalls zu ergänzen.
- Halten Sie sich kurz und stellen Sie die Verfahrensschritte verständlich dar.
- Verweisen Sie aus der Verfahrensdokumentation heraus auf weiterführende Unterlagen und Informationen, die helfen, die beschriebene Vorgehensweise zu beleuchten.
- Halten Sie unbedingt schriftlich fest, wenn Sie Änderungen an der Buchhaltungssoftware vornehmen und wann diese Änderungen vorgenommen wurden.
- Wurde das Buchhaltungssystem geändert, müssen Sie für jedes dieser Systeme eine getrennte Verfahrensdokumentation erstellen und dem Finanzamt im Zweifel vorlegen.