Digitalisierung im Handwerk: Herausforderung und Chance für KMU

Die fortschreitende Digitalisierung betrifft Handwerksbetriebe aller Art und Größe: Digitale Kommunikations-, Ausschreibungs-, Bestell- und Materialbeschaffungssysteme und nicht zuletzt ein verändertes Kunden- und Verbraucherverhalten zwingen jeden Betrieb, eine digitale Transformation vorzunehmen. KI-Systeme geben der Digitalisierung einen zusätzlichen Schub und eröffnen auch dem Handwerk neue Möglichkeiten. Erfahren Sie hier im Überblick mehr über die Chancen, welche die Digitalisierung im Handwerk bietet.

Hinweis: Gendergerechte Sprache ist uns wichtig. Daher verwenden wir auf diesem Portal, wann immer möglich, genderneutrale Bezeichnungen. Daneben weichen wir auf das generische Maskulinum aus. Hiermit sind ausdrücklich alle Geschlechter (m/w/d) mitgemeint. Diese Vorgehensweise hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keinerlei Wertung.

Frau in einer Werkstatt blickt lächelnd auf ihren Schreibtisch
© Jelena - stock.adobe.com
 |  Zuletzt aktualisiert am:12.04.2024

Handwerk 4.0: Große Herausforderungen, großes Potenzial

Auch wenn einer neueren Studie zufolge mittlerweile mehr als 90 Prozent aller Handwerksbetriebe eine eigene Internetseite haben und so gut wie alle per E-Mail erreichbar sind, bietet die Digitalisierung im Handwerk nach wie vor großes Entwicklungspotenzial. Dies hat auch damit zu tun, dass in der Branche die Zahl kleiner, oft familiengeführter Unternehmen sehr groß ist.

Im Gegensatz zu größeren mittelständischen Unternehmen mit eigenen IT-Fachkräften gibt es hier meist niemanden, der sich mit dem Thema Digitalisierung im Handwerk freiwillig auseinandersetzt und das Potenzial geeigneter Maßnahmen erforscht. Die Folge ist, dass viele Handwerksfirmen vor allem Probleme und Risiken in der Digitalisierung sehen und sie als zusätzliche Belastung empfinden. Dabei bieten digitalisierte und automatisierte Prozesse auch kleinen Handwerksbetrieben zahlreiche Vorteile.

Beispiel für die Digitalisierung im Handwerk: Elektronische Rechnungen

Da öffentliche Auftraggeber seit November 2020 nur noch elektronische Rechnungen akzeptieren, mussten viele Handwerksbetriebe bereits in eine Software investieren, die das Ausstellen von E-Rechnungen ermöglicht. Diese Unternehmen profitieren seitdem von den positiven Effekten der E-Rechnung: einem geringeren Arbeitsaufwand, Kostensenkungen, einer schnelleren Rechnungsstellung und dem oft damit verbundenen schnelleren Zahlungseingang. 

Wichtig: Ab dem 1. Januar 2025 müssen Rechnungen nun künftig auch im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen elektronisch versendet und empfangen werden können. Dadurch werden die meisten Handwerksbetriebe auf die E-Rechnung umstellen müssen - und in diesem Zuge von den Vorteilen profitieren.

Beispiel für die Digitalisierung im Handwerk: Elektronische Stundenzettel

In vielen Handwerksbetrieben werden Programme eingesetzt, die außer der Angebots- und Abrechnungserstellung auch das Führen elektronischer Stundenzettel ermöglichen. Das kann bequem per Smartphone-App erfolgen und spart so eine Menge Zeit. 

Hier liegt bei vielen Betrieben allerdings noch ein ungenutztes Potenzial: Denn häufig nutzen nur wenige Mitarbeiter diese Möglichkeit, wodurch ein Großteil der Stundenzettel weiterhin von Hand in das System eingepflegt werden muss. Würde man dies ändern und alle Mitarbeiter würden diese Möglichkeit nutzen, könnte man noch weit mehr Zeit einsparen.

Mithilfe von Digitalisierung Herausforderungen meistern

Natürlich stehen Handwerksbetriebe aktuell vor großen Herausforderungen: Fachkräftemangel, unbesetzte Plätze für Auszubildende, steigende Rohstoff- und Materialpreise, wachsende Lohn- und Personalkosten, erhöhte Umweltauflagen, Umstellungen auf komplexere Fertigungs- und Ausführungsverfahren, fortwährender Konkurrenzdruck und ein zunehmendes Anspruchsdenken der Kunden setzen so gut wie jedem Handwerksunternehmen zu. Und dann soll man sich auch noch mit der Digitalisierung beschäftigen! Sinnvoll eingesetzt hilft diese jedoch dabei, all diese Herausforderungen besser zu bewältigen.

Innerhalb des Handwerksbetriebs können so gut wie alle Abläufe und Geschäftsprozesse digitalisiert und teilweise sogar automatisiert werden. Einige der Bereiche, in denen die Digitalisierung des Handwerks Zeit und Kosten spart, sind zum Beispiel:

  • Materialbestellung
  • Abwicklung der Aufträge
  • Zeiterfassung
  • Gehaltsabrechnungen erstellen
  • Dokument- und Belegverwaltung
  • Rechnungsstellung
  • Kontoüberwachung und Mahnwesen
  • Datenaustausch mit der Steuerberatung
  • Entwurfsplanung und Steuerung von Fertigungsmaschinen
  • Kundenkommunikation

Gleichzeitig bietet die Digitalisierung vielen Handwerksbetrieben zusätzliche neue Möglichkeiten: Beispielsweise können Produkte und Fertigwaren ohne großen Aufwand über das Internet vertrieben werden. Die Infrastruktur dafür muss nicht extra geschaffen werden. Sie steht bei Online-Marktplätzen wie eBay, Amazon oder Rakuten bereits zur Verfügung und kann gegen eine Verkaufsprovision, die üblicherweise im Bereich von 7 bis 15 Prozent des Verkaufspreises liegt, einfach genutzt werden.

Erschließung neuer Geschäftsfelder in der Handwerk-Digitalisierung

Langsam, aber mit steigender Tendenz, hält die Digitalisierung Einzug in die Haustechnik. Dies führt dazu, dass sich nicht nur Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär- und Elektroinstallationsunternehmen, sondern auch Tischlereien und Zimmereibetriebe wegen neuartiger Schließ- und Alarmsysteme mit dem digitalen Wandel und dem Thema „Smart Home“ auseinandersetzen müssen. Eine ganze Reihe von Handwerksunternehmen hat daher die Smart-Home-Beratung mit in das Angebotsspektrum aufgenommen und so ein zusätzliches Geschäftsfeld erschlossen.

Bäckereien und Konditoreien leiden besonders unter Fachkräftemangel und hohen Rohstoff- und Betriebskosten. Hier kann die Digitalisierung im Handwerk nicht nur helfen, Projekte zu planen, Schicht- und Dienstpläne zu optimieren, Einkaufs-, Lager- und Betriebskosten zu senken und Herstellungsprozesse effizienter zu machen. Mithilfe neuartiger 3D-Druckverfahren lassen sich Torten und Schokoladenprodukte kundenspezifisch individualisieren. Über das Internet können Kunden sogar direkt in die Gestaltung eingebunden werden. Einige Konditoreien haben sich damit sehr erfolgreich völlig neue Verkaufskanäle, Absatzregionen und Zielgruppen erschlossen.

Manchmal kann die Digitalisierung im Handwerk sogar zur Neugründung eines weiteren Unternehmens führen: So hat z. B. ein Gerüstbauunternehmen, das die Vorteile der Gebäudebemaßung mithilfe eines Drohnensystems nutzen wollte, wegen der hohen Kosten des Systems ein zusätzliches, sehr erfolgreiches Unternehmen gegründet, das die 3D-Vermessung für Bemaßung und Modulation als Dienstleistung anbietet.

Tipp

Weitere Informationsmöglichkeiten zum Thema Digitalisierung im Handwerk

Internetportale, die sich auf das Thema „Digitalisierung im Handwerk“ spezialisiert haben und auf denen Sie weitere auf Ihre Branche zugeschnittene Inhalte erhalten, sind die Plattformen handwerk-digitalisieren.de oder handwerkdigital.de. Dort finden Sie auch Erfolgsgeschichten, bei denen die Wege zu den digitalen Geschäftsmodellen in allen Details dargestellt werden.

Vorteile der Digitalisierung im Handwerk: Optimierung und Integration

Keine Frage, die Digitalisierung von Arbeitsprozessen und Abläufen im Handwerk erfordert Investitionen, Einarbeitung und Disziplin in der durchgängigen Anwendung. Die Vorteile ergeben sich aber nur, wenn erstere im Handwerksbetrieb auch gelebt wird. Dafür sind umfassende Anleitungen und diverse Fortbildungen für Mitarbeiter notwendig. 

Sind diese Maßnahmen erfolgreich, bietet die Digitalisierung im Handwerk vielfältige Chancen und neue Möglichkeiten. Durch die Optimierung der Abläufe sparen Sie Zeit und dadurch langfristig Geld. Dadurch wiederum werden Ressourcen freigesetzt, die an anderer Stelle genutzt werden können.

Hinzu kommt, dass viele kleinere Betriebe aus dem Handwerk nur durch die Digitalisierung den Anschluss behalten und mit größeren Betrieben konkurrieren können. Dies betrifft vor allem Betriebe, die im Bereich der Baubranche tätig sind. Ausschreibungen erfolgen zunehmend digital und Angebote müssen entsprechend digital abgegeben werden. Handwerksbetriebe ohne entsprechende Infrastruktur bleiben außen vor. Dadurch, dass einschlägige Planungsprogramme allen Handwerksbetrieben als Cloudsysteme gegen einen Monatsbetrag online zur Verfügung stehen, können sich Klein- und Großbetriebe – den notwendigen Sachverstand vorausgesetzt – auf Augenhöhe begegnen.

Das Thema Digitalisierung des Handwerks spielt aber auch im Bereich der Kundenkommunikationeine wichtige Rolle: Potenzielle Auftraggeber recherchieren im Internet und sind es gewohnt, schnelle Antworten auf ihre Fragen zu bekommen. Handwerksbetriebe, die dort nichts oder nur wenig zu bieten haben und zögerlich auf Mailanfragen reagieren, kommen als Auftragnehmer kaum in Betracht.

Künstliche Intelligenz auch im Handwerk

Die rasante Entwicklung von KI-Systemen eröffnet auch bei der Digitalisierung des Handwerks zusätzliche neue Möglichkeiten.

Im Bereich der Planung und Konstruktion hat die KI-Technologie im Handwerk bereits enormen Einfluss. Durch fortschrittliche Algorithmen und maschinelles Lernen können Handwerker und Ingenieure komplexe Entwürfe deutlich schneller und effizienter erstellen und optimieren. KI-gestützte Designsoftware analysiert Daten, identifiziert Muster und generiert automatisch Lösungen, die den Anforderungen entsprechen und gleichzeitig Zeit und Ressourcen sparen.

Darüber hinaus revolutioniert die Digitalisierung mit KI bereits die Fertigungsprozesse im Handwerk. Von der CNC-Bearbeitung bis zur 3D-Drucktechnologie ermöglicht KI eine präzisere und effizientere Produktion von Bauteilen und Werkstücken. Intelligente Roboterarme, die mit KI-Algorithmen ausgestattet sind, können komplexe Aufgaben ausführen, die bisher menschliche Fähigkeiten erforderten. Dies führt nicht nur zu einer Steigerung der Produktionsgeschwindigkeit, sondern auch zu einer Reduzierung von Ausschuss und Fehlern.

Tipp

„KI in Unternehmen – Strategien, Trends und Herausforderungen“

Die aktuelle Studie „KI in Unternehmen – Strategien, Trends und Herausforderungen“ gibt Einblicke in den Umgang von Betrieben mit KI. Grundlage ist eine Umfrage, an der 150 Betriebe teilgenommen haben. Die Studie beschreibt den Nutzen, konkrete Aktivitäten und die Herausforderungen, die mit dem Einsatz von KI-Systemen verbunden sind. Erstellt wurde die Studie von der Handwerkskammer Koblenz, der IHK Koblenz, der Hochschule Koblenz und dem Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk.

Ein weiteres Beispiel ist die Verwendung von KI in der Fertigung von maßgeschneiderten Möbeln. Durch die Analyse von Kundenpräferenzen und Raumdaten hilft KI dabei, individuelle Designs zu erstellen und den gesamten Fertigungsprozess zu optimieren. Dies kann nicht nur zur Steigerung der Produktivität, sondern auch zu einer höheren Kundenzufriedenheit führen.

Auch im Bereich der Wartung und Reparatur leistet KI bei der Digitalisierung im Handwerk einen bedeutenden Beitrag. Durch die Integration von Sensorik und IoT (Internet der Dinge) können Maschinen und Anlagen kontinuierlich überwacht und analysiert werden. KI-Systeme erkennen frühzeitig Anomalien und prognostizieren potenzielle Ausfälle, sodass Maschinen rechtzeitig gewartet oder repariert und die Betriebszeiten maximiert werden.

Neben diesen technischen Anwendungen unterstützt KI auch Handwerksbetriebe bei der Kundenkommunikation und der Kundenverwaltung. Chatbots können z. B. Kundenanfragen bearbeiten und häufig gestellte Fragen beantworten, was die Kommunikation mit den Kunden effizienter gestaltet und gleichzeitig die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter verringert.

Fachverbände und Förderung von Digitalisierung im Handwerk

Konkrete Hilfestellungen gibt es bei den zuständigen Handwerkskammern. Diese führen persönliche Beratungsgespräche durch und vermitteln Berater, die die Digitalisierungsmaßnahmen planen und begleiten. Ein Großteil der Beratungskosten wird vom Förderprogramm „go-digital“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) übernommen.

Neue Unternehmensgsgründungen im Handwerk, die in Zusammenhang mit der Digitalisierung stehen, können zusätzlich mit Existenzgründungsdarlehen und Zuschüssen aus unterschiedlichen Fördertöpfen unterstützt werden. Konkrete Auskünfte erteilen die örtliche Wirtschaftsförderung und die zuständige Handwerkskammer.

Lexware Newsletter

Möchten Sie zukünftig wichtige News zu Gesetzes­änderungen, hilfreiche Praxis-Tipps und kostenlose Tools für Unternehmen erhalten? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter.