Urteil zu den Zinsen vom Finanzamt: So bekommen Unternehmen ihr Geld zurück

Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts brachte vor Kurzem Gewissheit: Das Finanzamt verlangt seit 2014 Wucherzinsen auf Steuernachzahlungen. Denn sechs Prozent Zinsen pro Jahr haben angesichts der bereits seit langem anhaltenden Niedrigzinsphase keine Daseinsberechtigung mehr. In diesem Artikel zeigen wir Ihnen, was das Urteil zu den Zinsen des Finanzamts für Unternehmen bedeutet und wie Sie vorgehen sollten, um gezahlte Zinsen zurückzufordern.

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Geld und Richterhammer als Symbol für das Urteil zu den Finanzamts-Zinsen
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 |  Zuletzt aktualisiert am:07.08.2023

Worum geht es in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Finanzamts-Zinsen genau?

Setzt das Finanzamt Steuern für ein bestimmtes Steuerjahr fest, werden automatisch Zinsen auf Einkommenssteuer etc. fällig, wenn es zu Steuernachzahlungen kommt und die Steuer erst nach Ablauf von 15 Monaten nach Beendigung des Steuerjahres festgesetzt wird. Die Zinsen, die das Finanzamt fordert, betragen ab dem 15. Monat 0,5 Prozent pro Monat – also 6 Prozent pro Jahr.

Gegen diese Wucherzinsen haben sich Steuerzahler mit Klagen beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gewehrt. Die Karlsruher Richterinnen und Richter kamen zu dem Schluss, dass die vom Finanzamt geforderten Zinsen viel zu hoch und damit verfassungswidrig sind. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch für verschiedene Zeiträume unterschiedliche steuerliche Konsequenzen gezogen (BVerfG, Beschluss v. 8.7.2021, Az. 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17).

Was bedeutet das Urteil zu den Finanzamts-Zinsen konkret?

Unternehmer müssen zu den Zinsen des Finanzamts aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts nun Folgendes wissen:

  • Verzinsungszeiträume bis Ende 2018: Für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 bleibt alles beim Alten. Das bedeutet: Die Festsetzung von 0,5 Prozent Steuerzinsen durch das Finanzamt ist zwar rechtswidrig hoch, wird aber toleriert.
  • Verzinsungszeiträume ab 2019: Für die Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 musste das Finanzamt (nachträglich) niedrigere Zinsen festsetzen.

Achtung

Beschluss betrifft keine Aussetzungszinsen oder Hinterziehungszinsen

Unternehmer sollten zudem wissen, dass der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nur Zinsen zur Steuernachzahlung nach § 233a AO betrifft. Das bedeutet im Klartext: Hat das Finanzamt Aussetzungszinsen oder Hinterziehungszinsen festgesetzt, ändert sich an der Zinshöhe von 6 Prozent ab dem Verzinsungszeitraum 2019 leider nichts.

Können Unternehmen und Selbstständige aufgrund des Urteils Geld vom Finanzamt zurückfordern?

Unternehmen können zumindest für die Verzinsungszeiträume ab 2019 Geld vom Finanzamt zurückfordern. Das macht aber erst dann Sinn, wenn klar ist, wie hoch der Zinssatz für Nachzahlungszinsen ab 2019 ausfallen wird. Jetzt ans Finanzamt zu schreiben und die Auszahlung der Zinsen ab 2019 zu verlangen, bringt leider nichts.

Hier heißt es zunächst Ruhe bewahren und abwarten, bis gesetzlich ein neuer Zinssatz bestimmt wird. Sobald dieser feststeht, können Sie dem Finanzamt eine entsprechende Rückforderung der zu viel gezahlten Zinsen zukommen lassen.

Beispiel zur Behandlung von Zinszahlungen ans Finanzamt:

Das Finanzamt setzt in einem Steuerbescheid nach einer Betriebsprüfung Zinsen von 4.000 Euro fest, wobei 1.400 Euro dieser Zinsen auf Verzinsungszeiträume ab 2019 entfallen. Folge: Die Zinsen des Finanzamts in Höhe von 2.600 Euro, die bis Ende 2018 angefallen sind, bleiben unangetastet. Für die Zinsen ab 2019 in Höhe von 1.400 Euro muss der Gesetzgeber nachbessern. Hier bekommen Unternehmen nach Anpassung der Zinssätze eine Rückerstattung der zu viel bezahlten Zinsen.

Das Finanzamt kann aber auch Geld von Unternehmen und Selbstständigen zurückfordern

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts und der Finanzverwaltung gilt der Zins-Beschluss übrigens nicht nur für Nachzahlungszinsen, sondern auch für Erstattungszinsen, die das Finanzamt für Steuererstattungen an Unternehmer ausbezahlt hat.

Hier gilt wieder Folgendes:

  • Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume bis Ende 2018 können Unternehmer behalten. An der Höhe des Zinssatzes ändert sich nämlich wie bei den Nachzahlungszinsen nichts.
  • Für bereits ausbezahlte Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 kann es tatsächlich passieren, dass das Finanzamt nach Anpassung der Zinsen einen Teil der Erstattungszinsen von Unternehmern zurückfordert.

Wie reagieren Unternehmer nach dem Zinsen-Urteil am besten auf eine entsprechende Steuernachforderung des Finanzamts?

Sollten steuerpflichtige Unternehmer aktuell einen Steuerbescheid bekommen, in dem das Finanzamt Zinsen für Zinszeiträume ab 2019 festsetzt, sollte er oder sie gegen diesen Steuerbescheid Einspruch einlegen und die Aussetzung der Vollziehung beantragen. Das dürfte aber nur in Einzelfällen passieren. Denn die Finanzverwaltung hat beschlossen, vorerst für Zinszeiträume 2019 keine Zinsen mehr festzusetzen. Die Steuerfestsetzung soll erst nachZinsberechnung undAnpassung der Zinshöhe erfolgen.

Tipp

Mögliche Sonderregelung für Erstattungszinsen

Es könnte für bereits ausbezahlte Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume ab 2019 aber auch eine Sonderregelung geben. Denn der zeitliche und finanzielle Aufwand, um die Rückforderungen von Erstattungszinsen ab 2019 einzutreiben, könnte unverhältnismäßig hoch sein. Vielleicht besinnt sich der Gesetzgeber und verzichtet aus Kulanzgründen auf die Rückforderung anteiliger Erstattungszinsen.

Wer bisher keine Zinsen ans Finanzamt bezahlt hat, weil er oder sie die Aussetzung der Vollziehung beantragt hat, sollte finanzielle Rücklagen in Höhe der zu erwartenden Zinsnachzahlungen bilden. Für die Verzinsungszeiträume bis Ende 2018 dürfte der Nachforderungsbescheid zeitnah kommen. Für die Verzinsungszeiträume ab 2019 haben Unternehmen noch ein wenig Zeit.

Auch wer Steuererstattungen mit Erstattungszinsen erhalten hat, sollte finanzielle Rücklagen in Höhe der Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 bilden.

Folgen des Urteils für Unternehmen und Selbstständige, die Einspruch gegen die Festsetzung von Zinsen eingelegt haben

Für Unternehmer, die gegen die Festsetzung von Zinsen in der Vergangenheit Einspruch eingelegt haben, hat der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu den Zinsen des Finanzamts unterschiedliche Auswirkungen:

Einspruch und Aussetzung der Vollziehung

Hat ein Unternehmen gegen die Festsetzung von Zinsen in der Vergangenheit Einspruch eingelegt und beantragt, dass das Finanzamt die Vollziehung aussetzt, wird das Finanzamt die Zinsen jetzt fordern. Für die Zeiträume bis Ende 2018 mit 6 Prozent pro Jahr und für die Verzinsungszeiträume ab 2019 den noch festzulegenden niedrigeren Zinssatz.

Rücknahme von Einsprüchen

Das Finanzamt müsste nun jedem Unternehmen, das Einspruch gegen Zinsen für Zeiträume bis 2018 eingelegt hat, zur Rücknahme des Einspruchs auffordern. Da das einen viel zu hohen bürokratischen Aufwand bedeuten würde, ist es wahrscheinlicher, dass die Einsprüche per Allgemeinverfügung für beendet erklärt werden.

Ist schon bekannt, welcher neue Zinssatz künftig gilt?

Im Juli 2022 hat der Bundesrat dem „Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung“ zugestimmt. Dieses setzt den Zinssatz zu Nachzahlungs- und Erstattungszinsen neu fest. Rückwirkend wird er auf 0,15 % pro Monat(1,8 % pro Jahr) gesenkt.

Info

Nein zum flexiblen Zinssatz

Einen flexiblen Zinssatz lehnt die Bundesregierung ab. Ändert sich der Zinssatz häufig, macht das Zinsbescheide mitunter unverständlich. Mehr Infos finden Sie auch in unserem Newsletter.

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