Neue Richtlinie zur Nachhaltigkeits­bericht­erstattung von Unternehmen: Das sollten KMU jetzt tun

Mit der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeits­bericht­erstattung werden immer mehr Unternehmen verpflichtet, ihre Aktivitäten in Sachen Nachhaltigkeit offenzulegen. Bis Juli 2024 muss die Richtlinie vom deutschen Gesetzgeber umgesetzt werden. Direkt betroffen sind mindestens 15.000 größere Unternehmen, mittelbar aber auch fast alle kleinen Betriebe. Hintergrund ist, dass z. B. größere Unternehmen von Geschäftspartnern ebenfalls verlangen, dass sie nachweisen, was sie in Sachen Nachhaltigkeit tun.

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Geschäftsgebäude im Grün
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 |  Zuletzt aktualisiert am:27.03.2024

Was ist Nachhaltigkeits­bericht­erstattung und welche Unternehmen müssen sie umsetzen?

Die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeits­bericht­erstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) bringt neue Berichtspflichten für zunächst etwa 15.000 Unternehmen in Deutschland. Mit der erweiterten Berichtspflicht soll sichergestellt werden, dass zunächst große Unternehmen und kapitalmarktorientierte KMU darüber berichten, was sie in Sachen Nachhaltigkeit umsetzen.

Vereinfacht ausgedrückt muss dargestellt werden, was ein Unternehmen tut, um die Umwelt zu schonen und soziale Standards einzuhalten. Beides soll im Einklang mit ökonomischen Zielen erfolgen, etwa der Gewinnerzielung. Es muss also dargestellt werden, wie sich das Geschäftsmodell eines Unternehmens auf Umwelt und Menschenrechte auswirkt und was getan wird, um die Umwelt wenig zu belasten oder die Ausbeutung von Arbeitnehmern - auch in Drittländern - zu vermeiden.

Zur Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten sind ab 2024 die größten 500 börsennotierten Unternehmen verpflichtet. Für andere große Kapitalgesellschaften gilt die Pflicht ab 2025, für kapitalmarktorientierte KMU ab 2026 bzw. 2028. Es ist möglich, dass die Fristen teilweise nach hinten geschoben werden.

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Neue Schwellenwerte für Unternehmensgrößenklassen

Die Delegierte Richtlinie (EU) 2023/2775 zur Änderung der Bilanzrichtlinie (Richtlinie 2013/34/EU) ist am 21. Dezember 2023 im Amtsblatt der Europäischen Union erschienen. Aus dieser folgt eine Anhebung der Schwellenwerte für Kapitalgesellschaften und gleichgestellte Personengesellschaften.

Als neue Schwellenwerte sind vorgesehen:

  • Kleinstunternehmen:
    Bilanzsumme: ≤ 450.000 Euro
    Umsatz: ≤ 900.000 Euro
    Beschäftigte: Unverändert
  • Kleine Unternehmen:
    Bilanzsumme: ≤ 5.000.000 Euro
    Umsatz: ≤ 10.000.000 Euro
    Beschäftigte: Unverändert
  • Mittelgroße Unternehmen:
    Bilanzsumme: ≤ 25.000.000 Euro
    Umsatz: ≤ 50.000.000 Euro
    Beschäftigte: Unverändert
  • Große Unternehmen:
    Bilanzsumme: > 25.000.000 Euro
    Umsatz: > 50.000.000 Euro
    Beschäftigte: Unverändert

EU-Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis zum 24. Dezember 2024 in nationales Recht umsetzen. Sie können dabei abweichende individuelle Schwellenwerte für kleine Unternehmen festlegen. Diese dürfen jedoch eine Bilanzsumme von 7.500.000 Euro und einen Umsatz von 15.000.000 Euro nicht überschreiten.

Auch kleinere Unternehmen sind von der Pflicht zur Nachhaltigkeits­bericht­erstattung betroffen

Wer jetzt glaubt, dass kleinere Unternehmen von der Pflicht zur Nachhaltigkeits­bericht­erstattung nicht betroffen sind oder noch Jahre Zeit für die Umsetzung haben, irrt sich! Denn große Betriebe gehen verstärkt dazu über, von ihren Geschäftspartnern zu verlangen, dass sie ebenfalls darstellen, was sie in puncto Nachhaltigkeit tun. Die großen Unternehmen müssen nämlich selber belegen, dass sie mit Partnern agieren, die ihrerseits nachhaltig wirtschaften.

Wer also mit größeren Unternehmen Geschäfte macht, wird eher früher als später Auskunft über die eigenen Nachhaltigkeitsbestrebungen geben müssen. Viele Kleinunternehmen müssen daher kurzfristig damit rechnen, dass sie reagieren müssen, wenn sie in die Wertschöpfungsketten berichtspflichtiger Unternehmen eingebunden sind. Auch Finanzinstitute werden die Kreditvergabe künftig vermehrt an Nachhaltigkeitsaktivitäten von Unternehmen ausrichten.

Ähnliche Erfahrungen gibt es für viele KMU bereits mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Auch hier müssen Betriebe, wenn sie große Kunden oder Lieferanten haben, nachweisen, was sie tun, um z.B. sicherzustellen, dass Menschenrechte nicht verletzt werden.

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Übersicht: Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung von KMU

Die Pilotgruppe „KMU-Reporting“ hat eine Übersicht zu aktuellen Informationsbedarfen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von KMU veröffentlicht. Die Übersicht stellt die bereits bestehenden und sich abzeichnenden zukünftigen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung von KMU dar. Sie dient dazu, Rückschlüsse und Anhaltspunkte für eine einheitlichere und vereinfachte (gesetzliche) Gestaltung von Berichtsanforderungen zu geben. 

Weitere Informationen finden Sie in der Pressemitteilung des Rats für Nachhaltige Entwicklung (RNE).

Auf dem Weg zum Nachhaltigkeits-Managementsystem – Das sollten KMU jetzt tun

Auch wenn noch viele Punkte offen sind und es Vereinfachungsmöglichkeiten geben wird, sollten kleine Betriebe prüfen, was sie schon heute tun können, um künftige Anforderungen zu erfüllen. Denn die Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichtserstattung wird Monate dauern.

Mittelfristig überwiegen aber die Vorteile

  • Zum einen durch positive Imagewirkungen.
  • Zum anderen werden die Geschäftsbeziehungen mit Partnern gefestigt und damit die Widerstandskraft gegen Krisengestärkt.
  • Die Befassung mit Nachhaltigkeit führt auch dazu, dass sich ökonomische Verbesserungen ergeben, etwa weniger Energieverbrauch.

Die folgenden Maßnahmen sollten betroffene KMU zeitnah ergreifen:

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VSME und LSME: EU-Nachhaltigkeitsstandards für KMU

Auch KMU müssen sich in der Praxis mit Nachhaltigkeitsberichterstattung auseinandersetzen, auch wenn sie nicht der CSRD unterliegen. Hierzu hat die EU im Januar 2024 einen ersten Entwurf der "Voluntary SME-Standards" (VSME) veröffentlicht. Diese dienen als Instrument für KMU, um sie in die Lage zu versetzen, ihre Nachhaltigkeitsbestrebungen leichter dokumentieren zu können. Daneben gibt es die LSME “Listed SME-Standards” für börsennotierte KMU. 

Beide Berichtsstandards werden von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) entwickelt.

Bereits am 31.07.2023 hatte die EU-Kommission die Ersten europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die sogenannten ESRS veröffentlicht. ESRSsteht für European Sustainability Reporting Standards. Diese dienen dazu, verbindliche Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU festzulegen. Alle Unternehmen, die der CSRD unterliegen, müssen diese beachten.

Über Nachhaltigkeitsberichterstattung informieren

Für kleine Betriebe ist es wichtig, einfache und pragmatische Lösungen zu finden, und dennoch systematisch vorzugehen. Nicht zuletzt, weil die Befassung mit Nachhaltigkeit bzw. CSRD keine einmalige Angelegenheit, sondern das Konzept regelmäßig überprüft und angepasst werden muss.

Weil viele Punkte nicht abschließend geklärt sind und es immer wieder zu Ergänzungen kommt, sollte man sich regelmäßig über den Stand und evtl. Ergänzungen informieren. Das bedeutet, dass man Quellen identifiziert und auswertet, die sich kontinuierlich mit dem Thema befassen und Informationen bereitstellen.

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Informationsangebote nutzen

Hier verfügen zum einen viele Kammern über Angebote, etwa Nachhaltigkeit im Unternehmen | IHK München (ihk-muenchen.de) oder In sieben Schritten zum CSR-Managementsystem (bayern.de). Auch die EFRAG, die europäische Beratungsgruppe zur Rechnungslegung, hält ständig aktualisierte Informationen bereit (First Set of draft ESRS - EFRAG).

Prüfung von Notwendigkeit und Dringlichkeit

Um Notwendigkeit und Dringlichkeit der eigenen Aktivitäten besser abschätzen zu können, sollte man prüfen, ob und welche Geschäftspartner ihrerseits betroffen sind und kurz- oder mittelfristig auf den eigenen Betrieb mit Anforderungen zukommen können. Dazu kann man z.B. eine Übersicht wie die Folgende nutzen:

Mit Partnern, die voraussichtlich kurzfristig auf den Betrieb zukommen können, sollten zeitnah Gespräche über Anforderungen, Inhalte und gewünschte Termine geführt werden. Aus den Gesprächen ergeben sich regelmäßig wichtige Hinweise und Input dazu, wie sich das Thema umsetzen lässt.

Unternehmensziele formulieren

Auf Unternehmensebene sollte mindestens festgelegt werden, dass Nachhaltigkeit Bestandteil der Unternehmensziele wird. Außerdem sollte erläutert werden, was CSR ist (Managementkonzept, das Verantwortung entlang der Nachhaltigkeitssäulen in das Kerngeschäft eines Unternehmens einbezieht).

Bestandsaufnahme durchführen

Oft gibt es im Betrieb bereits Aktivitäten, um nachhaltiger zu werden, nur stand das bisher unter anderen Überschriften. Beispielsweise gehört es zum betrieblichen Alltag, nach Kostensenkungsmöglichkeiten zu suchen oder Kundenbesuche so zu planen, dass möglichst wenige Kilometer anfallen. U.a. folgende Fragen können bei der Ist-Erhebung helfen:

  • Welche Aktivitäten gibt es bereits, die zu Kosteneinsparungen und sinkenden Umweltbelastungen führen?
  • Werden Entscheidungen unter Nachhaltigkeitsaspekten getroffen, z.B. Energieverbrauch bei Investitionen?
  • Gibt es Kennzahlen, die für CSRD genutzt werden können (s. unten)?
  • Werden beim Einsatz von Gefahrstoffen Gefährdungsbeurteilungen vorgenommen?
  • Wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützt?

Zeitrahmen für Umsetzung benennen

Zudem sollte es einen Umsetzungsplan mit zentralen Meilensteingen vom Start bis zur Konzepterstellung geht, z.B.

Nachhaltigkeit definieren

Dann muss festgelegt werden, was man konkret unter Nachhaltigkeit versteht. Aktuell hat sich das 3 Säulen Konzept der Nachhaltigkeit durchgesetzt:

  • Ökologie: U.a. Naturerhalt, z.B. Verzicht auf Raubbau an der Umwelt, Reduzierung Ressourcenverbrauch, Verbesserung Energieeffizienz, Nutzung erneuerbarer Energien, Reduzierung Gefahrstoffeinsatze, Nutzung umweltfreundlicher Materialien, Abfallvermeidung, mehr Recycling.
  • Ökonomie: U.a. Verzicht auf „bedingungslose“ Gewinnsteigerungen, Kostensenkung durch Einsatz u.a. Nutzung erneuerbarer Energien oder nachwachsender Rohstoffe.
  • Soziales: U.a. Arbeitsplatzsicherung, Chancengleichheit durch Förderung von Weiterbildung, Entgeltgerechtigkeit (gleiche Entlohnung von Männern und Frauen).

Tipp

Praxis-Tipp: Mit Säule Ökologie beginnen

Oft kann die konkrete Umsetzung in der Säule Ökologie beginnen. Hier gibt es zum einen häufig Erfahrungen, z.B. wenn es darum geht, Kosten zu senken, etwa beim Materialverbrauch. Lassen sich hier Erfolge erzielen, hat das gleichzeitig positive Folgen für die Säule Ökologie, etwa weniger Energieverbrauch und Emissionen.

Maßnahmenplan festlegen

Im nächsten Schritt müssen operative Ziele festgelegt werden, die einen Bezug zur Nachhaltigkeit haben, z.B.:

  • Kostensenkungen bis 20xx von X % bei Energie und Material umsetzen
  • Recyclingquote bis 20xx von X auf Y % steigern
  • Materialanteil nachwachsender Rohstoffe bis 20xx von X auf Y% erhöhen
  • Bis 20xx mehr Frauen einstellen
  • Besetzung von Ausbildungsstellen mit Flüchtlingen
  • Weiterbildung in Nachhaltigkeit für alle Mitarbeiter planen

Kennzahlen und Informationsinhalte festlegen

Jede Maßnahme sollte so gewählt sein, dass sich Kennzahlen definieren lassen, mit denen man die Aktivitäten von Nachhaltigkeit messen kann. Einige Beispiele:

  • Ökonomie
    • Umsatz Euro / Umsatzrendite
    • EBIT-/EBITDA Euro und Renditen in Prozent
    • Beschaffungsvolumen insgesamt 
    • Beschaffungsvolumen bei als nachhaltig zertifizierten Anbietern 
    • Beschaffungsvolumen bei lokalen / regionalen Anbietern  
    • Eigenkapitalanteil
    • Kundenzufriedenheit

  • Ökologie
    • Produktions-, Abfall-, Recyclingmengen 
    • Energieverbrauch (nach Arten) 
    • Anteil nachwachsender Rohstoffe an Beschaffungsvolumen 
    • Anteil regenerativer Energien am Gesamtverbrauch 
    • Co2-Emissionen Tonnen/Einsparung ggü. Vorjahren
    • Anteil Nachhaltigkeitsaudits mit / bei Lieferanten  
    • Anteil Produkte mit Ökobilanzen

  • Soziales
    • Frauenanteil %
    • Fluktuationsrate %
    • Durchschnittliche Zugehörigkeit Jahre
    • Weiterbildung je Mitarbeiter Stunden
    • Anteil Ausgaben für soziales Engagement / soziale Projekte
    • Anzahl Verbesserungsvorschläge zur Nachhaltigkeit *
    • Mitarbeiterzufriedenheit 
       

Info

Praxis-Tipp: Mit Säule Ökologie beginnen

Die Praxis zeigt, dass es bereits Kenngrößen gibt, mit denen Unternehmen arbeiten und die auch für CSRD genutzt werden können, etwa Renditen, Verbräuche, Weiterbildung. In anderen Fällen müssen erst die Möglichkeiten für eine Messung geschaffen werden, z.B., wenn es um Emissionen oder Nachhaltigkeitsaudits geht.

Konzept weiterentwickeln

Nachhaltigkeit, unternehmerische Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsberichterstattung verändern sich kontinuierlich, u.a., weil sich die Bedingungen in und um die Betriebe ändern, es gesetzliche Anpassungen gibt und viele Methoden und Standards noch unvollständig sind. Daher sollte man jährlich prüfen, ob das Konzept angepasst werden muss.

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