Höhere Löhne, höhere Preise: Kleinst-, Klein- und mittlere Unternehmen sehen keine Spielräume

Der Mindestlohn solle ab 2024 kräftig steigen, hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zuletzt verkündet. Über die Höhe entscheidet die unabhängige Mindestlohnkommission – Die Forderung kann man angesichts einer Inflation von immer noch 7,4 Prozent durchaus nachvollziehen. Für viele Arbeitnehmer:innen zählt aktuell jeder Euro mehr auf dem Bankkonto.

Das Problem dabei: Dieses zusätzliche Geld muss irgendwo herkommen. Die Betriebe kämpfen gerade selbst mit der Inflation, dem daraus resultierenden Kaufkraftverlust unter ihren Kund:innen, sowie den Energie- und Rohstoffkosten. So mussten zum Beispiel im vergangenen Jahr hunderte Bäckereien ihre Türen schließen. Der finanzielle Spielraum ist gerade bei Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen eng und wird mit jeder Lohnerhöhung, nicht nur aufgrund des Mindestlohns, sondern auch als Folge des Fachkräftemangels, immer enger. 

Die finanzielle Schmerzgrenze wird erreicht 

So haben wir in einer aktuellen Befragung unter Lexware-Kund:innen* herausgefunden, dass in den letzten zwölf Monaten bereits in etwa der Hälfte der Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen (48 Prozent) Mitarbeiter:innen nach Gehaltserhöhungen gefragt haben. Am stärksten waren davon kleine Unternehmen betroffen (61 Prozent), die zwischen zehn und 49 Mitarbeiter:innen beschäftigen. 

Wenig überraschend entsprachen die Wünsche dabei ungefähr der Höhe der Inflation, jede:r Zweite (49 Prozent) forderte eine Erhöhung zwischen fünf und zehn Prozent. Genauso wenig überraschend ist allerdings, dass die Arbeitgebenden diesen Wünschen nicht im gewünschten Ausmaß nachkommen konnten. Nur knapp die Hälfte der Betriebe (46 Prozent) ist überhaupt auf die Forderungen eingegangen und hat Löhne erhöht und nur bei einem Viertel (27 Prozent) erreichte die Gehaltsanpassung einen Wert zwischen fünf und zehn Prozent. 

Betriebe erreichen zunehmend ihre finanzielle Schmerzgrenze und dennoch wird dies vielerorts womöglich nicht reichen, um beispielsweise Mitarbeiter:innen langfristig zu halten. Mit Blick auf den heute schon akuten Fachkräftemangel – und die wirklich dramatischen Jahre stehen uns erst noch bevor – muss dieser Aspekt bei Unternehmen an Bedeutung gewinnen. Gehaltserhöhungen sind dabei in der Regel ein effektives Mittel, um Wertschätzung auszudrücken und Mitarbeiter:innen zum Bleiben zu motivieren. Wer da nicht mitziehen kann, wird früher oder später gute Mitarbeiter:innen verlieren, denn insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wiegt ein höheres Gehalt oft schwerer als etwa das vertraute Arbeitsumfeld. Jede:r Vierte (27 Prozent) hat heute außerdem schon Schwierigkeiten, neue Mitarbeiter:innen zu finden, weil andere Betriebe höhere Löhne zahlen.  

Unternehmen in der Zwickmühle 

Ein Ausweg aus dieser Lage ist derzeit eher nicht in Sicht. Viele Kleinst-, Klein- und mittlere Unternehmen haben ihre Kosten in den vergangenen Monaten schon erheblich gesenkt oder auch Kosten umgelagert und ihre Preise erhöht. Sollte der Mindestlohn im kommenden Jahr erneut steigen, wird Letzteres wieder für die Hälfte der Unternehmen (50 Prozent) die notwendige Konsequenz sein. Bei den Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeiter:innen sind es sogar fast zwei Drittel (62 Prozent). Es ist allerdings zweifelhaft, ob diese Strategie aufgehen kann, schließlich sind die Verbraucher:innen oder Unternehmenskund:innen gleichermaßen von der Inflation betroffen und versuchen auch, ihre Kosten niedrig zu halten. 

Das wissen auch die Befragten in unserer Umfrage: Jeweils gut ein Viertel glaubt nicht daran, dass ihre Kund:innen weitere Preiserhöhungen mitgehen werden (26 Prozent) bzw. ist überzeugt, dass diese weniger Produkte kaufen oder Leistungen in Anspruch nehmen werden (28 Prozent). Das heißt, mehr als die Hälfte der Betriebe erwartet Umsatzverluste im Falle (notwendiger) Preiserhöhungen. Es droht ein wahrer Teufelskreis, der einige Betriebe die Existenz kosten könnte. Dieses Szenario droht jedem fünften Kleinst-, Klein- und mittlere Unternehmen (20 Prozent) womöglich schon bei der nächsten Mindestlohnerhöhung. 

Fazit

Eines ist klar: Die aktuelle Situation ist weder für Unternehmen noch für Arbeitnehmer:innen noch lange tragbar. Die Erhöhung des Mindestlohns oder der Wunsch nach Gehaltserhöhungen sind in der Sache natürlich richtig und verständlich, doch sie belasten Betriebe zunehmend. Dass die Inflation langsam wieder sinkt, ist zwar gut, wird aber nicht reichen. Wir brauchen dringend bessere Rahmenbedingungen und an dieser Stelle ist die Politik gefragt: Bürokratieabbau, um Kosten- und Zeitaufwand zu reduzieren und so die Produktivität zu erhöhen, Investitionsförderungen, damit Unternehmen wichtige Innovationen nicht aufschieben müssen, oder die Modernisierung von Ausbildungen, die tatsächlich junge Menschen ansprechen, sind nur einige Stellschrauben, an denen sich drehen lässt, um die Situation von Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen nachhaltig zu verbessern und ihnen eine erfolgreiche Zukunft zu ermöglichen.  

* Methodik 
Lexware hat im Zeitraum vom 20. bis zum 24. April 2023 1.500 seiner Kund:innen per Online-Fragebogen zu ihrer Einschätzung der finanziellen Folgen von Inflation und Mindestlohnerhöhungen befragt. 
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