Arbeitnehmer entlassen: Wann ist eine fristlose oder eine außerordentliche Kündigung rechtens?

Einer Ihrer Arbeitnehmer hat sich so danebenbenommen, dass Sie ihn unbedingt sofort entlassen wollen? Vorsicht: Auch wenn Ihr Kleinbetrieb nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fällt: Die Regeln für die fristlose Kündigung gelten für jeden Betrieb, egal wie groß er ist. Deshalb sollten Sie bei einer außerordentlichen Kündigung unbedingt auf eine korrekte Formulierung achten.

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Frau verpackt etwas in Kartons
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 |  Zuletzt aktualisiert am:08.08.2023

Fristlose Kündigung: Voraussetzungen

Mit der fristlosen Kündigung können Sie sofort einen Mitarbeiter entlassen, ohne Kündigungsfrist. Diese Kündigung ist aber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich. Sie sind beschrieben im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 626).

Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung sind:

  • Ein sogenannter wichtiger Grund
  • Die Nichtzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung
  • Es steht kein milderes Mittel zur Verfügung
  • Kündigung erfolgt innerhalb von 2 Wochen nach dem Vorfall

Grundsätzlich ist eine fristlose Kündigung bei allen Arbeitnehmern möglich. So sind auch diese Arbeitnehmer davon betroffen:

  • Befristete Beschäftigte
  • Schwerbehinderte
  • Schwangere, junge Mütter und Mitarbeiter in Elternzeit
  • Auszubildende
  • Betriebsräte

Wie jede andere Kündigung ist die fristlose Kündigung nur schriftlich möglich. Bei der fristlosen Entlassung eines Auszubildenden muss der Grund im Kündigungsschreiben aufgeführt werden. Allen anderen Arbeitnehmern ist er mitzuteilen, wenn sie es verlangen. Bei besonderem Kündigungsschutz (z. B. Schwerbehinderung, Schwangerschaft) brauchen Sie als Arbeitgeber auch für die fristlose Kündigung die Zustimmung der zuständigen Behörde.

Eine außerordentliche Kündigung geht nur mit „wichtigem“ Grund

Eine fristlose Kündigung ist nur erlaubt, wenn alle milderen Mittel ausgereizt sind. Ein milderes Mittel kann eine Änderung des Aufgabengebiets, eine Abmahnung oder die Änderungskündigung sein. Wenn es um ein steuerbares Verhalten geht, darf der Arbeitgeber erst kündigen, wenn er den Arbeitnehmer vorher vergeblich abgemahnt hat. Nur wenn absehbar ist, dass eine Abmahnung erfolglos bleiben wird, können Sie ohne vorangegangene Abmahnung eine außerordentliche Kündigung aussprechen.

Bei ganz schwerwiegendem Fehlverhalten geht es ohne Abmahnung. Dann wird davon ausgegangen, dass das notwendige Vertrauen für ein weiteres Arbeitsverhältnis nicht mehr hergestellt werden kann. Den Arbeitnehmer fristlos kündigen ist dann aber nur möglich, wenn ein sogenannter wichtiger Grund vorhanden ist. Das kann eine Straftat gegenüber dem Arbeitgeber oder gegenüber Arbeitskollegen sein. Auch beharrliche Arbeitsverweigerung und schwere Pflichtverstöße kommen infrage.

Wichtige Gründe für die außerordentliche Kündigung sind z. B.:

  • Vorsätzliches Beschädigen von Betriebsmitteln und dadurch Gefährdung der Sicherheit im Betrieb
  • Ausländerfeindliche Äußerungen im Betrieb
  • Missachtung von Alkohol- oder Drogenverbot im Betrieb
  • Verweigerung der Arbeit
  • Betrug beim Aufzeichnen der Arbeitszeit
  • Eigene Beurlaubung
  • Übermäßige Nutzung des betrieblichen Internetanschlusses
  • Sexuelle Belästigung oder Gewalt an Kollegen
  • Wissentliche Unterschlagung von Unternehmensgeldern

Der Kündigungsgrund muss im speziellen Fall so gravierend sein, dass es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist, die Kündigungsfrist abzuwarten. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls und die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegeneinander abzuwägen. Zu berücksichtigen sind zum Beispiel:

  • die Art und die Schwere des falschen Verhaltens
  • die wirtschaftlichen Folgen
  • ob der Mitarbeiter wissen konnte und musste, dass er was falsch macht
  • eine lange „fehlerlose“ Betriebszugehörigkeit
  • der bisherige Umgang des Arbeitgebers mit Regelverstößen

Auch schon der dringende Verdacht einer Straftat, etwa einer Unterschlagung, kann ein wichtiger Grund sein, einen Mitarbeiter fristlos zu entlassen. Vor einer fristlosen Kündigung muss der Mitarbeiter aber die Möglichkeit erhalten, den Verdacht zu entkräften.

Außerdem müssen Sie auf diese Punkte bei einer sogenannten Verdachtskündigung achten:

  • Sie müssen alles tun, um den Sachverhalt weiter aufzuklären.
  • Der Verdacht muss das Vertrauen in Ihren Mitarbeiter völlig zerstört haben.

Sollte es zum Streit kommen, müssen Arbeitgeber das Fehlverhalten des Mitarbeiters beweisen können.

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Die fristlose Kündigung ist nur innerhalb von 2 Wochen möglich

Sobald ein Grund vorliegt, haben Sie 2 Wochen Zeit für die fristlose Kündigung Ihres Arbeitnehmers. Die Kündigung ist nur gültig, wenn der Mitarbeiter sie innerhalb dieser Frist erhalten hat. Die Frist läuft von dem Tag an, an dem der Arbeitnehmer vom Kündigungsgrund erfahren hat. Sie endet 2 Wochen später am gleichen Wochentag.

Auch zu einer fristlosen Kündigung ist der Betriebsrat anzuhören. Wenn Sie dem Arbeitnehmer vorsorglich auch ordentlich kündigen, sollten Sie ihn auch darüber informieren. Gibt es in Ihrem Unternehmen einen Betriebsrat, hat dieser 3 Tage Zeit zu reagieren. Er hat lediglich das Recht, sich zu äußern. Nur wenn Sie ein Betriebsratsmitglied fristlos kündigen wollen, brauchen Sie seine Zustimmung.

Vorlagen zur außerordentlichen Kündigung enthalten meistens einen Hinweis für den Arbeitnehmer zu seinen Pflichten gegenüber der Agentur für Arbeit. Bei einer fristlosen Kündigung muss er sich z. B. innerhalb von 3 Tagen dort melden. Nach dem Gesetz „sollen“ Kündigungen diesen Zusatz enthalten.

Beispiel: 2-Wochen-Frist bei außerordentlicher Kündigung

Hat Mitarbeiter A. Mitarbeiter B. an einem Freitag geohrfeigt, endet die Frist für eine fristlose Kündigung 2 Wochen später, ebenfalls am Freitag, um 24 Uhr.

Die Kündigung muss – im Beispiel – am Freitag um 24 Uhr zugegangen sein. Dafür reicht es nicht, wenn der Arbeitgeber die Kündigung um 19 Uhr in den Briefkasten des Arbeitnehmers einwirft. Weil der Arbeitnehmer erst am nächsten Vormittag zu den normalen Postlieferzeiten mit Post rechnen muss, geht sie ihm erst dann zu. Am besten ist, Sie kündigen so frühzeitig, dass keine Gefahr besteht, die Frist bei der außerordentlichen Kündigung zu verpassen.

Kündigungsgrund bei fristloser Kündigung besser nicht angeben

Sie müssen den Kündigungsgrund nicht angeben, es sei denn, Sie kündigen Ihrem Auszubildenden oder einer Mitarbeiterin im Mutterschutz. Dann muss der Grund direkt im Kündigungsschreiben stehen. Anderen Mitarbeitern müssen Sie Ihren wichtigen Grund nur auf ausdrückliche Nachfrage schriftlich mitteilen.

Das Weglassen des wichtigen Grundes im Kündigungsschreiben hat mehrere Gründe: Zum einen sollten Sie bedenken, dass eine fristlose Kündigung des Arbeitsvertrages in der Regel in sehr emotionalem Zustand erfolgt. Das kann dazu führen, dass der Grund im Eifer des Gefechts zu drastisch und zu unbedacht formuliert wird.

Zum anderen lassen Sie sich mit der Angabe des Grundes bei der außerordentlichen Kündigung unnötig in die Karten schauen. Sie schränken Ihre Möglichkeiten für einen eventuellen Rechtsstreit von vornherein ein. Lassen Sie den Grund weg, haben Sie und ggf. Ihr Rechtsanwalt ausreichend Zeit, zu überlegen, wie Sie ihn richtig und am besten vortragen.

Bei der außerordentlichen Kündigung wird oft geklagt

Die fristlose Kündigung hat für den Arbeitnehmer erhebliche Folgen. Er wird sofort arbeitslos, sein Einkommen entfällt, er muss beim Arbeitsamt mit einer Sperrfrist rechnen, und das „ungerade“ Austrittsdatum verringert seine Chancen für zukünftige Bewerbungen. Viele versuchen daher, durch eine Klage zu retten, was zu retten ist, und sich zum Beispiel auf eine fristgerechte Kündigung zu einigen. Die Klage muss innerhalb von 3 Wochen nach der außerordentlichen Kündigung eingereicht werden.
Weil es bei der fristlosen Kündigung auf den Einzelfall ankommt und schon kleine Nuancen darüber entscheiden können, ob sie zulässig ist, sollten Sie als Arbeitgeber zur Sicherheit vorsorglich immer auch fristgerecht kündigen.

Formulieren Sie dies zum Beispiel folgendermaßen: „Hiermit kündigen wir das Arbeitsverhältnis fristlos. Vorsorglich kündigen wir auch fristgemäß zum …“

Im Streitfall prüft das Arbeitsgericht bei einer außerordentlichen Kündigung folgende Punkte:

  • Lag ein wichtiger Grund vor?
  • Haben Sie die richtige Interessenabwägung getroffen?

Achtung

Vorsorglich fristgerecht kündigen!

Kommt das Gericht zu einem anderen Ergebnis als Sie, müssen Sie den Arbeitnehmer weiter beschäftigen. Haben Sie vorsorglich auch fristgerecht gekündigt, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der normalen Kündigungsfrist.

Die Beweislast liegt bei demjenigen der kündigt. Sie als Arbeitgeber müssen daher darlegen und beweisen können, dass es Ihnen nicht möglich oder zumutbar war, dem Arbeitnehmer z. B. nur eine andere Tätigkeit zuzuweisen oder ihn zu anderen Bedingungen zu beschäftigen.

Praxis-Beispiel: Fristlose Kündigung einer Kassiererin

Der Sachverhalt: Ein Arbeitgeber erwischte die seit vielen Jahren bei ihm beschäftigte Kassiererin dabei, wie sie Leergutbons, die ein Kunde verloren hatte, zu ihren Gunsten einlöste. Die Bons hatten einen Wert von 1,30 EUR. Da der Arbeitgeber seiner Kassiererin nicht mehr vertrauen konnte, kündigte er fristlos. Hilfsweise kündigte er auch fristgerecht.

Das Urteil: Die ersten beiden Instanzen gaben dem Arbeitgeber recht. Nicht so die dritte und letztlich entscheidende Instanz. Mehr als 2 Jahre nach der außerordentlichen Kündigung entschied das Bundesarbeitsgericht, dass die diese unwirksamwar und der Arbeitgeber die Kassiererin weiter beschäftigen muss.

Das war passiert: Wie bisher ging das Gericht davon aus, dass bei Diebstählen oder Unterschlagungen zulasten des Arbeitgebers ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliegen kann, auch wenn der entstandene Schaden gering ist. Aber: Es muss auch geprüft werden, ob es dem Arbeitgeber zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis fortzuführen. Dazu muss der einzelne Fall umfassend und genau betrachtet werden. Und daran scheiterte die Kündigung.

Das Gericht meinte: Weil die Kassiererin schon viele Jahre ohne Beanstandung beim Arbeitgeber gearbeitet hatte, könne das Vertrauen nicht durch den einmaligen Vorfall vollkommen zerstört worden sein. Weil zudem der Schaden sehr klein war, hätte eine Abmahnung ausgereicht. Auch die vorsorglich erteilte fristgemäße Kündigung sei deshalb nicht gerechtfertigt gewesen (BAG, Urteil v. 10.6.2010, 2 AZR 541/09).

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