Gilt der Mindestlohn auch für Minijobs?
Tipp
Mindestlohn für Aushilfen: Einzelprüfung nicht immer notwendig
Unternehmer, deren Beschäftigte eine Grundvergütung pro Stunde erhalten, die mehrere Euro über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt, können sich eine aufwändige Einzelfallüberprüfung sparen und sich auf die Überprüfung „besonderer Beschäftigter“ wie Praktikanten, Aushilfen u. ä. beschränken.
Flexible Arbeitszeit und Mindestlohn im Minijob
Minijobber genießen bei Prüfungen durch die Zollverwaltung oder die Betriebsprüfer der Rentenversicherung gern große Aufmerksamkeit. Insbesondere ist mit einer genauen Prüfung der Zeiterfassung zu rechnen. Wird ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz bei Praktikanten, Minijobbern oder Azubis festgestellt, drohen Nachzahlungen und im schlimmsten Fall ein empfindliches Bußgeld.
Wurde mit dem Minijobber die zu erbringende Arbeitszeit exakt festgelegt, werden diese Vereinbarungen eingehalten und kann dies den Aufzeichnungen entnommen werden, ist leicht nachzurechnen, ob dem Minijobber der gesetzliche Mindestlohn gezahlt wurde. Arbeitet der Mitarbeiter unregelmäßig, ist immer darauf zu achten, dass die Einkommensgrenze für Minijobber eingehalten wird. Gut zu wissen ist, dass die Verdienstgrenze im Minijob seit Oktober 2022 dynamisch ist, d. h. sie erhöht sich automatisch mit jeder zukünftigen Erhöhung des Mindestlohns.
Info
Entwicklung des Mindestlohns
Bisher hat sich der Mindestlohn (auch beim Minijob und Praktikanten-Tätigkeiten) wie folgt entwickelt:
- 9,50 EUR ab dem 1.1.2021
- 9,60 EUR ab dem 1.7.2021
- 9,82 EUR ab dem 1.1.2022
- 10,45 EUR ab dem 1.7.2022
- 12,00 EUR ab dem 1.10.2022
Ursprünglich war eine Anpassung des Mindestlohns im Rhythmus von zwei Jahren vorgesehen. Schließlich wurde durch die Bundesregierung beschlossen, den Mindestlohn bis 2022 in vier Stufen anzupassen. Hierdurch sollten die Lohnkostensteigerungen für die betroffenen Betriebe tragfähig verteilt werden.
Die Bundesregierung möchte dem Vorschlag der Mindestlohnkommission für die Jahre 2024 und 2025 Folge leisten. Der Mindestlohn soll dann pro Stunde in folgender Höhe gelten:
- 12,41 EUR ab dem 1.1.2024
- 12,82 EUR ab dem 1.1.2025
Mit unserem Mindestlohn-Rechner von Lexware können Sie den Mindestlohn für Minijobber und Praktikanten mit wenigen Eingaben und Klicks selbst berechnen.
Mindestlohn: Arbeitszeit und Überstunden
Auch mit Minijobbern und Praktikanten, die den Mindestlohn bekommen, können Arbeitszeitkonten vereinbart werden. D. h. es wird vertraglich festgelegt, dass der Minijobber den Mindestlohn als festes monatliches Entgelt erhält und dafür eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden leisten muss. Arbeitet er dann mehr als vereinbart, werden die Überstunden auf dem Arbeitszeitkonto festgehalten. Und es muss die Möglichkeit bestehen, das Zeitguthaben innerhalb eines Jahres durch Freizeit auszugleichen oder die Überstunden auszuzahlen.
Achtung
Dokumentieren Sie alle Stunden
Setzen Sie Ihre Minijobber und Praktikanten nach Bedarf ein, ist es besonders wichtig, dass Sie alle geleisteten Stunden sorgfältig dokumentieren. Auch eventuelle Auszahlungen und den fristgerechten Überstundenabbau müssen Sie ständig im Auge behalten, um das Anstellungsverhältnis nicht zu gefährden. Für den Minijob ist in diesem Fall zum einen entscheidend, dass trotz Überstunden die
jeweilige Jahresverdienstgrenze für Minijobber eingehalten wird. Denn wird diese überschritten, endet der Minijob, und zwar schon dann, wenn der Arbeitgeber die Überschreitung absehen kann, z. B. weil der Minijobber die Überstunden nicht mehr rechtzeitig abbauen kann. Zum anderen ist zu beachten, dass auch erhebliche Schwankungen der Einsatzzeiten unzulässig und schädlich für den Minijob sind.
Info
BAG-Urteil zur Lohngleichheit: Mindestlohn beim Nebenjob
Im Januar 2023 entschied das BAG, dass Beschäftigte mit einer geringfügigen Beschäftigung bei identischer Tätigkeit und gleicher Qualifikation Anspruch auf denselben Stundenlohn haben wie Vollzeitbeschäftigte (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Januar 2023, 5 AZR 108/22). Das Urteil kam folgendermaßen zustande:
- Auf einen höheren Stundenlohn hatte ein Rettungsassistent geklagt, der bei einem Rettungsdienst als geringfügig Beschäftigter einen Stundenlohn von 12 Euro brutto erhielt, da er in beklagtem Unternehmen als nebenamtlicher Beschäftigter gilt. Der Rettungsassistent arbeitete also auf Minijob-Basis und bekam dafür den Mindestlohn. Hauptamtliche Beschäftigte erhalten für die gleiche Arbeit einen Stundenlohn von 17 Euro brutto.
- Der Arbeitgeber begründete den Lohnunterschied damit, dass die nebenamtlichen Rettungsassistenten Wunschtermine für Einsätze nennen und Dienste ablehnen könnten, was die Planungssicherheit erschwere. Dies stünde den Vollzeitbeschäftigten nicht zu.
- Für Unternehmen bedeutet das Urteil, dass sie zukünftig gut prüfen sollten, aus welchem Grund sie geringfügig Beschäftigten, also Minijobbern oder auch Praktikanten mit Mindestlohn weniger zahlen als Vollzeitbeschäftigten.
Reisezeiten: Mindestlohn ist fraglich
Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Reisezeiten werden den meisten Beschäftigten vergütet, auch wenn in diesen Zeiten die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung nicht erbracht wird. Ob Minijobber Anspruch auf den Mindestlohn während einer Reisezeit haben, hängt maßgeblich von der Art der Reise ab:
- Beim Bereitschaftsdienst bestimmt der Arbeitgeber den Aufenthaltsort des Beschäftigten - somit ist hier auch Minijobbern ein Mindestlohn zu zahlen.
- Die gilt allerdings nicht für die Rufbereitschaft,bei der der Arbeitnehmer selbst entscheidet, wo er sich aufhält.
- Bei Reisezeiten dagegen kann nicht pauschal gesagt werden, ob der Mindestlohn zu zahlen ist. Hier kommt es auf den Einzelfall an. Ist die Reisetätigkeit – beispielsweise bei Außendienstmitarbeitern – Hauptleistungspflicht und entsprechend als Arbeitszeit im Vertrag vereinbart, so erhalten neben den Hauptbeschäftigten auch Minijobber oder Praktikanten den Mindestlohn. Anders kann es z. B. bei Beschäftigten aussehen, die nur einmal im Jahr für 3 Tage zur Branchenmesse fahren.
Achtung: In der Pflegebranche gelten besondere, zwingende Vorgaben.
Freiwilliges Praktikum und Mindestlohn
Grundsätzlich gilt: Bei einem „echten“ Praktikum steht die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten im Vordergrund, nicht die Arbeitsleistung. Übt ein Praktikant im Wesentlichen die gleichen Tätigkeiten wie ein Arbeitnehmer aus (was der Fall bei einem länger dauernden Praktikum sein kann), steigt das Risiko, dass der Praktikant bei einer Überprüfung als Arbeitnehmer eingestuft wird. Die Folge: der Praktikant hat dann Anspruch auf den Mindestlohn.
Von der Mindestlohnpflicht ausgenommen sind alle Pflichtpraktika. Maßgebend für die Entscheidung, ob es sich um ein Pflichtpraktikum oder ein freiwilliges Praktikum im Rahmen einer Schul- oder Hochschulausbildung handelt, ist allein die Schul-/Prüfungs- oder Hochschulordnung. Soll das Praktikum ohne Vergütung erfolgen oder unter dem Mindestlohn bezahlt werden, kann es für Unternehmen sinnvoll sein, den Praktikanten zu bitten, eine entsprechend geltende Schul-/Prüfungs- oder Hochschulordnung vorzulegen. Diese sollten Sie einfordern, bevor Sie den Praktikanten einstellen – so sind Sie für mögliche Streitfälle gewappnet. Beispielsweise dann, wenn der Praktikant den Mindestlohn gerichtlich einfordern möchte. Die Schul-/Prüfungs- oder Hochschulordnung sollten auch zum Bestandteil des Praktikanten-Vertrags gemacht werden.
Kein Anspruch auf Mindestlohn besteht auch bei:
- freiwilligen Praktika, die nicht länger als 3 Monate dauern und der Orientierung für die Ausbildung oder das Studium dienen oder ausbildungs- bzw. studienbegleitend geleistet werden.
- Praktika im Rahmen einer Einstiegsqualifizierung nach Sozialgesetzbuch III und der Ausbildungsvorbereitung nach dem Berufsbildungsgesetz.
Tipp
Einstellung von Praktikanten
- Schreiben Sie in den Praktikumsvertrag detailliert, um welche Art Praktikum es sich handelt: ein unbezahltes Pflichtpraktikum, oder eines, bei dem Sie den Praktikanten mit dem Mindestlohn oder höher vergüten.
- Nehmen Sie Nachweise (z. B. Schul-/Prüfungs- oder Hochschulordnung) zur Personalakte.
- Lassen Sie sich schon vorhandene Praktika-Nachweise vorlegen oder – falls keine vorhanden sind – schriftlich von den Praktikanten bestätigen, dass sie die notwendigen Praktika noch nicht oder noch nicht vollständig erbracht haben.
Mindestlohn für Auszubildende und Langzeitarbeitslose
In Unternehmen ohne Tarifbindung gilt schon seit Januar 2020 eine Mindestvergütung für Auszubildende. Aber: Praktika, die praktische Erfahrungen eines bereits erlernten Berufes vermitteln sollen (z. B. Nachpraktika), sind keine Ausbildung in diesem Sinn. Für ein Nachpraktikum ist folglich der gesetzliche Mindestlohn für Praktikanten zu zahlen.
Langzeitarbeitslose, die ohne Unterbrechung mindestens ein Jahr bei der Agentur für Arbeit gemeldet sind, haben in den ersten sechs Monaten keinen Anspruch auf den Mindestlohn.
Bei der Einstellung von Langzeitarbeitslosen empfiehlt es sich, einen Nachweis der Bundesagentur für Arbeit zu verlangen, sofern kein Eingliederungszuschuss beantragt oder gewährt wurde.
Übrigens: Bei einer Prüfung durch die Zollverwaltung ist der Arbeitgeber in jedem Fall darlegungs- und ggf. beweispflichtig für alle Tatsachen, die Ausnahmen vom Mindestlohngesetz begründen. Darum sollten in jedem Fall von Anfang an alle erforderlichen Unterlagen/Nachweise zur Personalakte genommen werden.
Achtung
Mindestvergütung für Auszubildende
Seit Januar 2020 gilt in Unternehmen ohne Tarifbindung eine Mindestvergütung für Auszubildende.
- Bei Ausbildungsbeginn im Jahr 2022 betrug die Mindestvergütung im ersten Lehrjahr 585 Euro.
- Sie erhöhte sich 2023 auf 620 Euro.
- Ab 2024 soll der Mindestlohn für Azubis automatisch an die durchschnittliche Entwicklung aller Ausbildungsvergütungen angepasst werden.