Verschuldungsgrad

Der Verschuldungsgrad ist eine wichtige Kennzahl zur Beurteilung der Finanzierungsstruktur eines Unternehmens. Er zeigt das Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenkapital und gibt Aufschluss darüber, wie stark ein Unternehmen verschuldet ist. Ein optimaler Verschuldungsgrad unterstützt eine solide Finanzplanung und minimiert finanzielle Risiken. Dieser Artikel erklärt, wie der Verschuldungsgrad ermittelt wird, welche Bedeutung er hat und stellt zwei unterschiedliche Ansätze zur Bestimmung des optimalen Verschuldungsgrades vor: die traditionelle These und die Modigliani/Miller-These.

Zuletzt aktualisiert am 08.11.2024
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Zusammenfassung

Verschuldungsgrad im Überblick

  • Der Verschuldungsgrad zeigt das Verhältnis von Fremdkapital zu Eigenkapital. 
  • Ein optimaler Wert ist entscheidend für die finanzielle Stabilität eines Unternehmens. 
  • Der Verschuldungsgrad berechnet sich aus Fremdkapital geteilt durch Eigenkapital. 
  • Ein zu hoher Verschuldungsgrad erhöht das Risiko für Kapitalgeber und die Kosten für Kredite
  • Es gibt zwei Hauptansätze zur Bestimmung eines optimalen Verschuldungsgrades: die traditionelle These und die Modigliani/Miller-These.

Definition

Was ist der Verschuldungsgrad laut Definition?

Der Verschuldungsgrad ist eine Finanzkennzahl, die das Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital angibt. Er wird aus der Unternehmensbilanz abgeleitet und dient als Indikator für die finanzielle Abhängigkeit von Fremdkapital. Der Verschuldungsgrad wird auch als vertikale Kapitalstrukturnorm bezeichnet, da er das Verhältnis von zwei Passiv-Positionen der Bilanz widerspiegelt. 

Ermittlung des Verschuldungsgrades

Zur Berechnung der Verschuldungsgrades dient diese Formel:

Verschuldungsgrad = Fremdkapital / Eigenkapital

Beispiel: Ein Unternehmen hat 600.000 Euro Fremdkapital und 400.000 Euro Eigenkapital. Der Verschuldungsgrad beträgt somit:

600.000 / 400.000 = 1,5

Bedeutung des Verschuldungsgrades

Der Verschuldungsgrad beeinflusst das Risiko und die Finanzierungskosten eines Unternehmens. Eine zu hohe Verschuldung stellt ein finanzielles Risiko für Kapitalgeber dar, da ein hohes Fremdkapital das Unternehmen anfälliger für Zahlungsausfälle macht. Je höher der Verschuldungsgrad, desto höher sind die Risiken für die Kapitalgeber, und desto teurer werden Kredite.

Ein niedriger Verschuldungsgrad ist in der Regel vorteilhaft, weil dadurch das Vertrauen der Kapitalgeber steigt und die Finanzierungskosten sinken.

Rentabilität des Eigenkapitals

Die Eigenkapitalrentabilität wird durch den Leverage-Effekt beeinflusst. Der Leverage-Effekt tritt auf, wenn ein Unternehmen durch Fremdkapital eine höhere Eigenkapitalrentabilität erreicht, solange die Gesamtkapitalrendite über dem Fremdkapitalzins liegt.

  • Eigenkapitalrentabilität = Gewinn / Eigenkapital
  • Je höher der Verschuldungsgrad, desto größer der mögliche Hebeleffekt auf die Eigenkapitalrentabilität

Optimaler Verschuldungsgrad

Die Frage nach dem optimalen Verschuldungsgrad ist komplex, da viele Faktoren wie die Marktlage und die Zielsetzungen eines Unternehmens eine Rolle spielen. Es gibt unterschiedliche Modelle, die darauf abzielen, den optimalen Verschuldungsgrad zu bestimmen. Diese Modelle basieren auf der Annahme, dass Unternehmen Kredite aufnehmen können, solange sie die Finanzierungskosten tragen können.

Modelle zum optimalen Verschuldungsgrad

Es gibt verschiedene theoretische Modelle, die sich mit der Frage des optimalen Verschuldungsgrads eines Unternehmens befassen. Diese Modelle berücksichtigen insbesondere die Hebelwirkung der Verschuldung (Leverage-Effekt) auf die Eigenkapitalrentabilität sowie das Risiko, das mit einer zunehmenden Verschuldung einhergeht. Ziel der Modelle ist es, die Maximierung des Unternehmenswerts zu erreichen, indem sie die optimale Kapitalstruktur bestimmen.

  • Der Leverage-Effekt beschreibt den Umstand, dass die Eigenkapitalrentabilität durch Fremdkapital gesteigert werden kann, solange die Gesamtkapitalrendite die Fremdkapitalzinsen übersteigt.
  • Steigende Verschuldung erhöht jedoch das Risiko für Kapitalgeber und kann zu höheren Zinsen für Fremdkapital führen, was wiederum die Kapitalkosten eines Unternehmens beeinflusst.
  • Ziel der Modelle ist die Maximierung des Marktwerts des Unternehmens, indem ein Gleichgewicht zwischen den Vorteilen der Verschuldung und den damit verbundenen Risiken gefunden wird.

Grundsätzlich beruhen diese Modelle auf der Annahme, dass Unternehmen Kredite aufnehmen können, solange sie in der Lage sind, die zunehmenden Belastungen durch Fremdkapital zu tragen.

Thesen zum optimalen Verschuldungsgrad

Es existieren zwei wesentliche Thesen zur Ermittlung des optimalen Verschuldungsgrads eines Unternehmens: die traditionelle These und die Modigliani/Miller-These. Beide Ansätze vertreten unterschiedliche Auffassungen darüber, wie der Verschuldungsgrad die Kapitalkosten und den Marktwert eines Unternehmens beeinflusst.

Traditionelle These

Die traditionelle These geht davon aus, dass der Kapitalwert eines Unternehmens vom Verschuldungsgrad abhängig ist. Es gibt einen optimalen Punkt, an dem die durchschnittlichen Kapitalkosten minimal sind und der Marktwert des Unternehmens sein Maximum erreicht.

  • Bei niedriger Verschuldung bleiben die Eigenkapital- und Fremdkapitalkosten konstant, was zu einer Erhöhung der Eigenkapitalrentabilität führt, ohne dass die Kapitalkosten signifikant steigen.
  • Ein moderater Anstieg des Fremdkapitals kann somit den Leverage-Effekt verstärken, ohne dass die Finanzierungskosten überproportional ansteigen.
  • Wenn die Verschuldung jedoch weiter zunimmt, beginnen die Eigenkapitalkosten aufgrund des steigenden Risikos für Eigenkapitalgeber zu steigen. Dies kann durch einen Renditeaufschlag kompensiert werden.
  • Fremdkapitalgeber erhöhen ihre Zinsforderungen, wenn das Risiko als zu hoch angesehen wird.
  • Ab einem bestimmten Punkt steigen die durchschnittlichen Kapitalkosten so stark an, dass sie den positiven Effekt der Verschuldung auf die Eigenkapitalrentabilität ausgleichen. Der optimale Verschuldungsgrad ist erreicht, wenn dieser Ausgleichspunkt feststeht.

Insgesamt beschreibt die traditionelle These den optimalen Verschuldungsgrad als den Punkt, an dem die durchschnittlichen Kapitalkosten minimal sind und das Risiko der Eigenkapitalgeber noch als akzeptabel gilt. Wird dieser Punkt überschritten, steigen die Kapitalkosten überproportional an.

Modigliani/Miller-These

Die Modigliani/Miller-These widerspricht der traditionellen Auffassung und behauptet, dass der Verschuldungsgrad keinen Einfluss auf die durchschnittlichen Kapitalkosten eines Unternehmens hat. Demnach existiert kein optimaler Verschuldungsgrad, da der Marktwert eines Unternehmens unabhängig von seiner Kapitalstruktur ist.

Die Hauptannahmen der Modigliani/Miller-These sind:

  • Es gibt einen vollkommenen Kapitalmarkt, auf dem keine Transaktionskosten oder Informationsasymmetrien existieren.
  • Der Fremdkapitalzinssatz bleibt konstant, unabhängig vom Verschuldungsgrad.
  • Eigen- und Fremdkapitalgeber nehmen Kredite zu den gleichen Zinssätzen auf.
  • Arbitrageprozesse gleichen Preisunterschiede zwischen Unternehmen aus, sodass die Eigenkapitalkosten eines Unternehmens mit steigendem Verschuldungsgrad genauso stark ansteigen, dass der positive Effekt des Leverage-Effekts vollständig ausgeglichen wird.

Modigliani/Miller argumentieren, dass in einem vollkommenen Kapitalmarkt die Marktwerte zweier Unternehmen, die zur gleichen Risikoklasse gehören, trotz unterschiedlicher Verschuldungsgrade gleichbleiben müssen. Der Verschuldungsgrad hat demnach keine wirtschaftliche Relevanz für den Marktwert eines Unternehmens, da die steigenden Eigenkapitalkosten die Leverage-Effekte ausgleichen.

Kritik an der Modigliani/Miller-These

Die Modigliani/Miller-These wird in der Praxis häufig kritisiert, da sie auf unrealistischen Annahmen basiert, die in der Realität kaum zutreffen.

  • Modigliani/Miller gehen von einem konstanten Fremdkapitalzinssatz aus, der unabhängig vom Verschuldungsgrad ist. Dies widerspricht der Realität, da Kreditgeber bei höherer Verschuldung in der Regel höhere Zinsen verlangen, um das steigende Risiko zu kompensieren.
  • Zudem wird ein vollkommener Kapitalmarkt vorausgesetzt, bei dem keine Transaktionskosten existieren und alle Marktteilnehmer über gleiche Informationen verfügen. Dies ist in der Praxis selten der Fall.

Die Annahme, dass der Fremdkapitalzins konstant bleibt, hat zur Folge, dass Unternehmen unabhängig von ihrer Bonität zu gleichen Konditionen Fremdkapital aufnehmen könnten. In einer späteren Version der Modigliani/Miller-These wurde diese Annahme aufgegeben, und steigende Fremdkapitalzinssätze wurden zugelassen. Allerdings wurde dann angenommen, dass die Eigenkapitalkosten bei hoher Verschuldung sinken, was ebenfalls als unrealistisch gilt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die traditionelle These eine realitätsnähere Annahme darstellt, während die Modigliani/Miller-These theoretisch fundierter ist. Ein vollständiges Modell, das die Vorteile beider Ansätze integriert, ist bislang jedoch noch nicht entwickelt worden.