Bürokratieentlastungsgesetz – Entlastung der Kleinunternehmer?

Das Bürokratieentlastungsgesetz (BEG III) soll seit 2020 insbesondere Kleinunternehmer entlasten - wie etwa durch die Anhebung der Kleinunternehmergrenze. Doch wie hoch ist die Entlastung wirklich?

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Frau im Hemd arbeitet an einem Schreibtisch, wo alles voller Unterlagen ist
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 |  Zuletzt aktualisiert am:02.11.2022

Bürokratieentlastungsgesetz: Was ist das?

Statistische Auskunfts- und Meldepflichten, Aufzeichnungspflichten oder die vielen Pflichten der Datenschutzgrundverordnung – die Vielzahl und Unübersichtlichkeit der Regelungen in Deutschland erschweren Unternehmern nicht nur die Unternehmensgründung, sondern auch den Arbeitsalltag und die Betriebsfortführung.

Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz I (BEG I) im Jahr 2015 und dem Bürokratieentlastungsgesetz II (BEG II) im Jahr 2017 wurden seitens des Gesetzgebers und der Verwaltung bereits erste Bürokratiehemmnisse und -hürden abgebaut. Stattdessen wurden Erleichterungen eingeführt wie etwa die Befreiung von kleinen Unternehmen von wesentlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten oder die Anhebung der Pauschalierungsgrenzen bei Kleinbetragsrechnungen.

Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz III (BEG III), dem dritten Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie, hat der Gesetzgeber nun weitere Überregulierungen abgeschafft. So soll die Bürokratiebelastung weiter eingedämmt werden.

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Kleinunternehmer als Hauptzielgruppe des BEG III

Vor allem Kleinunternehmen (KMU) wünschen sich laut einer aktuellen Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer einen deutlichen Bürokratieabbau. Für 60 % der befragten Unternehmen hat der Bürokratieabbau höchste Priorität. 40 % sehen in der Bürokratiebelastung sogar ein Risiko für ihre Geschäfte. Die Mehrheit der Unternehmensgründer hält die Bürokratie für eine große Hürde auf dem Weg zum eigenen Unternehmen.

Entlastung 1: Anhebung der Kleinunternehmergrenze

Die Beantragung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UstG ist bei Unternehmern und Gründern mit geringen Umsätzen beliebt, denn der Arbeitsalltag wird dadurch erheblich vereinfacht. Die Kleinunternehmerregelung befreit Kleinunternehmer von der Umsatzsteuer und damit von der monatlichen oder vierteljährlichen Pflicht, Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben zu müssen.

Hierfür gab es bislang die folgenden Voraussetzungen:

  • ihr Umsatz lag im vergangenen Kalenderjahr unter 17.500 Euro und
  • ihr Umsatz liegt im laufenden Kalenderjahr bei maximal 50.000 Euro

Die erste Grenze (17.500 Euro) wurde nun im Rahmen des BEG III angehoben. Seit 1. Januar 2020 können auch Betriebe mit einem Umsatz bis 22.000 Euro von der Kleinunternehmerregelung profitieren (erstmals bezogen auf den Umsatz 2019).

Wichtig: Den Umsatz richtig errechnen!

Bei der Bestimmung des Umsatzes haben viele unerfahrene Unternehmer oder Gründer Schwierigkeiten. Der Grund: Viele wissen gar nicht, dass die Umsätze auf das gesamte Jahr „hochgerechnet“ werden müssen, denn kaum jemand gründet sein Unternehmen zum 1. Januar des Kalenderjahres. Beispiel: Wer seinen Betrieb Anfang Juli gründet und bis zum Jahresende 15.000 EUR umsetzt, hat im Endeffekt einen auf das ganze Jahr hochgerechneten Umsatz von 30.000 EUR. Damit würde er aus der Kleinunternehmerregelung ausscheiden.

Wer sich verschätzt, muss dem Finanzamt nachweisen, dass er mit den zusätzlichen Einnahmen nicht rechnen konnte. Wenn er das kann, bleibt er im laufenden Jahr zwar umsatzsteuerbefreit, wird dann aber im nachfolgenden Jahr umsatzsteuerpflichtig - und zwar unabhängig davon, wie hoch die Umsätze tatsächlich ausfallen.

Wenn er dagegen nicht glaubhaft machen kann, dass er mit den zusätzlichen Einnahmen nicht rechnen konnte, muss er rückwirkend für das laufende Jahr Umsatzsteuer entrichten. Man merkt also: Es lohnt sich genau hinzuschauen!

Tipp

Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung kann sich auszahlen!

Nach der neuen Regelung fallen noch mehr Unternehmer unter die Kleinunternehmerregelung. Doch nicht immer lohnt sich das. Die Kehrseite der Medaille ist, dass im selben Zuge natürlich auch kein Anspruch (mehr) auf einen Vorsteuerabzug besteht. Wer also größere Anschaffungen plant, sollte für sich abwägen, ob der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung wegen des Vorsteuerabzugs nicht attraktiver für ihn ist. Doch Vorsicht: An den Verzicht sind Sie fünf Jahre lang gebunden.

Entlastung 2: Größere Zuschüsse für die Gesundheit

Seit 2020 können Unternehmer noch besser in die Gesundheit ihrer Angestellten investieren, indem sie ihnen Zuschüsse für spezielle Gesundheitsleistungen und -maßnahmen gewähren. Denn: Der steuerfreie Freibetrag wurde vom Gesetzgeber von 500 Euro auf 600 Euro je Arbeitnehmer pro Kalenderjahr angehoben.

Entlastung 3: Anhebung der Grenzen bei der Lohnsteuerpauschalierung

Mit einer Gruppenunfallversicherung können Unternehmer ihre Mitarbeiter optimal vor einem unfallbedingten Ausfall absichern. Solche Beiträge sind abzugsfähige Betriebsausgaben, die den Gewinn mindern. Doch Vorsicht: Erstreckt sich der Versicherungsschutz auch auf den privaten Bereich der versicherten Arbeitnehmer, handelt es sich bei dem Beitrag um einen zu versteuernden Arbeitslohn. Nach dem Bürokratieentlastungsgesetz kann der Arbeitgeber seit 2020 solche Beiträge pauschal mit 20 % besteuern, wenn der steuerliche Durchschnittsbetrag ohne Versicherungssteuer nicht mehr als 100 EUR im Kalenderjahr beträgt. Bisher lag die Grenze bei 62 EUR.

Auch die Grenze der Lohnsteuerpauschalierung bei kurzfristig beschäftigten Arbeitnehmern wurde angehoben, d. h. die Pauschalierung i. H. v. 25 % erfolgt erst ab einem durchschnittlichen Arbeitslohn pro Arbeitstag von 121 EUR. Bisher lag die Grenze bei 72 EUR. Außerdem wird der pauschalierungsfähige durchschnittliche Stundenlohn auf 15 EUR (statt 12 EUR) erhöht.

Entlastung 4: Einfachere Aufbewahrung von elektronischen Daten

Im Rahmen einer Außenprüfung darf das Finanzamt die Steuerdaten einsehen, die der Unternehmer mithilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt hat. Er darf außerdem das System nutzen und eine maschinelle Auswertung oder eine Speicherung der Steuerdaten auf einem Datenträger fordern.

Im Falle eines Systemwechsels oder einer Datenauslagerung musste der Unternehmer bislang das verwendete Datenverarbeitungssystem mindestens 10 Jahre im Betrieb halten. Das soll sich nun ändern: Nach dem Bürokratieentlastungsgesetz III dürfen alte Datenverarbeitungsprogramme nun 5 Jahre nach dem Wechsel bzw. der Datenauslagerung beseitigt werden, sofern ein Datenträger mit den gespeicherten Steuerunterlagen aufbewahrt wird!

Entlastung 5: Vierteljährliche USt-Voranmeldung für Gründer

Neugründer eines Unternehmens müssen ihre Umsatzsteuer-Voranmeldung künftig nicht mehr monatlich abgeben, sondern vierteljährlich. Das erleichtert die Gründungsphase enorm. Die Erleichterung ist jedoch zeitlich befristet und außerdem an die Bedingung geknüpft, dass die zu entrichtende Umsatzsteuer voraussichtlich nicht höher als 7.500 EUR liegt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass auch die Umsatzsteuer in eine Jahressteuer „hochgerechnet“ werden muss. Die Neuerung gilt erstmals für die Besteuerungszeiträume 2021 bis 2026.

Entlastung 6: Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Arbeitnehmer mussten bisher ihren „gelben Schein“ bzw. ihre Krankschreibungen bei ihrem Arbeitgeber in Papierform einreichen. Damit ist jetzt Schluss, denn künftig informieren die Krankenkassen den Arbeitgeber auf Abruf elektronisch über Beginn und Dauer der Arbeitsunfähigkeit ihrer gesetzlich versicherten Angestellten. Das schafft mehr Klarheit und einen reibungsloseren Prozess.

Fazit: Viele geplante Änderungen wurden nicht umgesetzt

Auch wenn manche der Regelungen des BEG III zu begrüßen sind und eine Erleichterung für Kleinunternehmer und Gründer darstellen, so hätte der Umfang des Bürokratieabbaus doch größer ausfallen können. Zahlreiche wichtige Erleichterungen aus dem Eckpunktepapier wurden im Bürokratieentlastungsgesetz nicht umgesetzt. Hierzu gehören z. B. die Anhebung der GWG-Grenze auf 1.000 EUR, die Abschaffung der Sammelposten, die Einführung einer objekt- bzw. sachbezogenen Freigrenze für betriebliche Geschenkaufwendungen oder die Verkürzung von Aufbewahrungsfristen im Steuer- und Handelsrecht von 10 auf 8 Jahre.

Laut der oben angeführten IHK-Umfrage wünschen sich Kleinunternehmer zudem eine Datenschutzgrundverordnung mit mehr Praxisnähe und eine deutliche Vereinfachung von Statistikmeldungen und Förderverfahren. Manche dieser Regelungen werden möglicherweise in ein anderes Gesetzgebungsverfahren einfließen.

Befriedigend ist das BEG III angesichts des langen Hin und Her nicht. Trotz Billigung des Gesetzes übt auch der Bundesrat Kritik am Bundestagsbeschluss. Im Umfang bleibt das Gesetz deutlich hinter dem, was im Interesse der Stärkung und Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Wirtschaft erstrebenswert gewesen wäre. Der Bundesrat nimmt die Bundesregierung daher in die Pflicht und fordert sie auf, ihr Bemühen um eine weitere Bürokratieentlastung fortzusetzen.

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