Betriebliche Übung

Eine betriebliche Übung entsteht, wenn ein Arbeitgeber wiederholt freiwillige Leistungen erbringt, ohne dass diese vertraglich festgelegt wurden. Durch die regelmäßige Wiederholung entwickeln Arbeitnehmer Ansprüche auf diese Leistungen, auch wenn sie ursprünglich nicht vereinbart waren. Typische Beispiele für betriebliche Übungen sind Weihnachtsgeld, Betriebsrente oder vermögenswirksame Leistungen. Beim Arbeiten von zu Hause sieht es anders aus. Ein Anspruch auf Homeoffice entsteht nicht automatisch, selbst wenn Arbeitnehmer während der Corona-Pandemie ohne Vereinbarung von zu Hause aus gearbeitet haben.

Zuletzt aktualisiert am 06.11.2024

Zusammenfassung

Betriebliche Übung im Überblick

  • Betriebliche Übungen führen durch wiederholte freiwillige Leistungen zu Ansprüchen der Arbeitnehmer 
  • Betriebliche Übungen entstehen durch regelmäßige, freiwillige Arbeitgeberleistungen 
  • Nach dreimaliger Wiederholung entsteht ein Anspruch auf zukünftige Leistungen 
  • Ein Freiwilligkeitsvorbehalt kann eine betriebliche Übung verhindern 
  • Eine betriebliche Übung kann durch Kündigung, einvernehmliche Vereinbarung oder Widerruf beendet werden 

Definition

Was ist eine betriebliche Übung?

Eine betriebliche Übung beschreibt die regelmäßige Wiederholung freiwilliger Arbeitgeberleistungen, die dazu führt, dass Arbeitnehmer auf diese Leistungen künftig einen Anspruch haben. Es gibt viele Bereiche, in denen betriebliche Übungen entstehen können, z. B. bei Weihnachtsgeld, Betriebsrente oder Prämien. Entscheidend ist, dass die Leistungen weder vertraglich noch gesetzlich vorgeschrieben sind, sondern aus Gewohnheit gewährt werden. 

Wie entsteht eine betriebliche Übung?

Eine betriebliche Übung entsteht, wenn ein Arbeitgeber wiederholt Leistungen erbringt, die weder vertraglich vereinbart noch gesetzlich vorgeschrieben sind. Dies kann sich auf verschiedene Bereiche beziehen, etwa auf Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld oder zusätzliche Urlaubstage. 
Nach spätestens drei Wiederholungen einer solchen Leistung entsteht ein Anspruch der Arbeitnehmer. Es kommt dabei darauf an, wie die Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung aller Umstände verstehen.

Voraussetzungen für eine betriebliche Übung

Damit eine betriebliche Übung entsteht, muss der Arbeitgeber freiwillige Leistungen bewusst und wiederholt erbringen. Die wichtigsten Bedingungen sind:

  • Wiederholung: Mindestens drei Jahre lang muss die Leistung gewährt worden sein
  • Kein Vorbehalt: Der Arbeitgeber darf keinen Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt geltend machen
  • Vertrauen der Arbeitnehmer: Arbeitnehmer müssen darauf vertrauen können, dass die Leistungen auch in Zukunft gewährt werden

Ein Beispiel ist das Weihnachtsgeld: Wird es dreimal hintereinander ohne Vorbehalt gewährt, entsteht eine betriebliche Übung, die nur schwer wieder beendet werden kann. Neue Mitarbeiter können ebenfalls in den Schutz der betrieblichen Übung fallen, sofern diese bereits besteht.

Anspruch aus betrieblicher Übung

Ein Anspruch auf Leistungen entsteht nur dann, wenn der Arbeitgeber diese vorbehaltlos gewährt. Werden die Leistungen jedoch unter dem Vorwand gezahlt, dass der Arbeitgeber irrtümlich von einer Verpflichtung ausgeht, entsteht kein künftiger Anspruch, wenn die Arbeitnehmer dies erkennen.

Kündigung einer betrieblichen Übung

Eine betriebliche Übung kann auf verschiedene Arten beendet werden:

  • Einvernehmliche Beendigung: Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigen sich darauf, die bestehende Praxis zu ändern. Dies kann durch eine schriftliche Vereinbarung oder einen Nachtrag zum Arbeitsvertrag erfolgen.
  • Änderungskündigung: Ist keine Einigung möglich, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigen und gleichzeitig ein neues Angebot zu geänderten Bedingungen unterbreiten. Der Arbeitnehmer kann dieses Angebot annehmen oder ablehnen.
  • Widerruf: Bestimmte Leistungen können widerrufen werden, wenn dies im Vorfeld deutlich gemacht wurde. Ein Widerruf ist jedoch nur unter strengen Voraussetzungen und unter Einhaltung von Fristen möglich.

Rechtsfolgen der betrieblichen Übung

Durch eine betriebliche Übung entstehen vertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf bestimmte Leistungen. Entscheidend ist nicht, ob der Arbeitgeber mit Absicht gehandelt hat, sondern wie die Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung aller Umstände verstanden haben.
Diese Ansprüche gelten auch dann, wenn der Arbeitgeber ursprünglich nicht beabsichtigte, eine dauerhafte Verpflichtung einzugehen.

Wie kann die Entstehung von Ansprüchen verhindert werden?

Eine doppelte Schriftformklausel im Arbeitsvertrag kann verhindern, dass eine betriebliche Übung entsteht. Diese Klausel schreibt vor, dass alle Änderungen des Vertrags, einschließlich der Schriftformklausel selbst, schriftlich festgehalten werden müssen.
Eine einfache Schriftformklausel reicht hingegen nicht aus, um das Entstehen einer betrieblichen Übung zu verhindern. Auch wenn der Vertrag Änderungen nur schriftlich vorsieht, können diese Änderungen durch eine formfreie betriebliche Übung außer Kraft gesetzt werden. Mit einer doppelten Schriftformklausel, die auch Änderungen der Schriftform selbst umfasst, kann eine betriebliche Übung wirksam ausgeschlossen werden.

Gegenläufige betriebliche Übung

Früher konnte eine betriebliche Übung dadurch aufgehoben werden, dass der Arbeitgeber sich über einen längeren Zeitraum anders verhielt und die Arbeitnehmer dies widerspruchslos hinnahmen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat diese Rechtsprechung inzwischen jedoch aufgegeben. Heute reicht es nicht mehr aus, dass Arbeitnehmer das geänderte Verhalten des Arbeitgebers widerspruchslos akzeptieren. 
Das bedeutet, dass bestehende Ansprüche aus betrieblicher Übung nur noch durch eine Änderungskündigung oder eine ausdrückliche Vereinbarung mit den Arbeitnehmern aufgehoben werden können.

Leistungen unter Vorbehalt gewähren

Um zu verhindern, dass eine betriebliche Übung entsteht, sollten Arbeitgeber bei der Gewährung zusätzlicher Leistungen oder Vergünstigungen stets einen Vorbehalt erklären. Der Vorbehalt muss klar und unmissverständlich sein, zum Beispiel durch Formulierungen wie „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ oder „kein Rechtsanspruch für die Zukunft“.
Ein einfacher Freiwilligkeitsvorbehalt reicht nicht aus, um das Entstehen einer betrieblichen Übung zu verhindern. Der Vorbehalt muss eindeutig formuliert und vor Eintritt der betrieblichen Übung bekannt gegeben werden.
Es ist dabei unerheblich, ob der Vorbehalt durch ein Rundschreiben, einen Aushang oder eine individuelle Erklärung gegenüber den Arbeitnehmern erfolgt – entscheidend ist, dass der Vorbehalt klar und deutlich kommuniziert wird.