Produkthaftung: Was steckt dahinter und wann greift sie?

Wer ein Produkt herstellt oder in Umlauf bringt, muss dafür Sorge tragen, dass von diesem keine Gefahr ausgeht. Kommt es aufgrund eines fehlerhaften Produkts zu einem Personen- oder Sachschaden, greift die Produkthaftung. Diese ist im Produkthaftungsgesetz geregelt. Was hinter der Produkthaftung steckt und in welchen Fällen Sie schadensersatzpflichtig sind, erfahren Sie in diesem Beitrag.

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Zuletzt aktualisiert am:08.09.2023

Zusammenfassung

Produkthaftung im Überblick

  • Wer ein Produkt herstellt oder in den Verkehr bringt, muss dafür sorgen, dass von diesem keine Gefahr ausgeht. 

  • In Deutschland finden sowohl die Produzentenhaftung nach BGB als auch die Haftung nach ProduktHaftG Anwendung. 

  • Die Produkthaftung ist eine verschuldungsunabhängige Gefährdungshaftung nach dem ProduktHaftG. Sie betrifft Händler, Hersteller, Zulieferer und Importeure

  • Für eine Produkthaftung müssen bestimmte Voraussetzungen vorliegen, damit Geschädigte einen Anspruch anmelden können.

  • Die Produkthaftung hat eine Frist von drei Jahren bis zur Verjährung

  • Die Schadensersatzzahlungen werden nach Personen- und Sachschäden unterschieden.  

Definition

Was ist die Produkthaftung?

Die Produkthaftung bestimmt nach Definition die haftenden Personen, die für Personen- oder Sachschäden bei Gebrauch eines Produktes einstehen. Unter den Begriff fällt neben der vertraglichen Haftung auch eine gesetzliche Haftung. Diese lässt sich in drei Kategorien einteilen: 

  • Haftung aus unerlaubter Handlung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) 

  • Haftung nach anderen speziellen Gesetzen (z. B. Arzneimittelgesetz) 

  • Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) 

Was gilt für das Produkthaftungsrecht im Zivilrecht?

Das Produkthaftungsgesetz nach BGB gilt für Hersteller in Deutschland, die ein Produkt eigenverantwortlich und auf eigene Rechnung herstellen. Die sogenannte Produzentenhaftung verpflichtet Hersteller dazu, ihr Produkt vor dem Inverkehrbringen gründlich auf mögliche Gefahren durch Konstruktions-, Fabrikations-, Instruktions- oder Produktbeobachtungsfehler zu untersuchen

Bei der Produkthaftung nach BGB handelt es sich folglich um eine deliktische Haftung. Das heißt, ein Hersteller kann im Ernstfall für einen Gesetzesverstoß haftbar gemacht werden, aber nicht für eine Verletzung der vertraglichen Pflichten.

Haftung nach dem ProdHaftG

Neben der Produzentenhaftung existiert die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG). Das Produkthaftungsgesetz dient zur Vereinheitlichung des Produkthaftungsrechts auf EU-Ebene. Bei der Haftung nach dem ProdHaftG handelt es sich um eine sogenannte Gefährdungshaftung. Das heißt, es ist nicht relevant, ob der Hersteller den Fehler verschuldet hat oder nicht. Man spricht daher auch von einer verschuldensunabhängigen Haftung. 

Hersteller haften somit auch dann für ein fehlerhaftes Produkt, wenn ihnen weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden können. Darüber hinaus haften sie auch bei Ausreißern. Das sind fehlerhafte Einzelstücke von sonst fehlerfreien Produkten.

Info

Produkthaftung bei Mängeln

Die Produkthaftung ist jedoch nicht mit der Mängelhaftung gleichzusetzen. Bei dieser geht es darum, dass Kunden ein mangelfreies Produkt erhalten. Wenn ein Produkt nicht mangelfrei ist, können Kunden Nacherfüllung oder Ersatz verlangen.

Was ist ein Produkt nach dem Produkthaftungsgesetz in Deutschland?

Ein Produkt ist jede bewegliche Sache, die auf den Markt gebracht wird.  

  • Grundstücke oder darauf errichtete Gebäude zählen also nicht dazu – Baumaterialien für das Gebäude hingegen schon. 

  • Arzneimittel fallen ausdrücklich nicht unter das ProdHaftG. Hier erfolgt die Haftung nach speziellen Gesetzen. In diesem Fall gilt das Arzneimittelgesetz (AMG).  

  • Bei der Produkthaftung für Software sind die Meinungen bisher geteilt, da die Sacheigenschaft von Software in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt ist. In der Regel wird das Produkthaftungsgesetz jedoch für Standardsoftware angewendet, hoch individualisierte Softwarelösungen fallen hingegen meist unter die Produzentenhaftung nach BGB.

Händler oder Hersteller: Wer haftet für fehlerhafte Produkte?

Liegt die Produkthaftung beim Hersteller oder Händler? Fakt ist: Unter das Produkthaftungsgesetz fallen mehrere Personengruppen. Sie müssen also nicht zwingend der direkte Hersteller des Endprodukts sein, um haftungsfähig zu sein. 

Haften können generell folgende Personen

  • Hersteller des Endprodukts 

  • Zulieferer eines Teilprodukts, sofern dieses fehlerhaft war 

  • Importeure des Produkts von außerhalb der EU 

  • Quasi-Hersteller, die ihr Logo oder ihre eigene Marke am Produkt anbringen 

  • Händler, wenn der Hersteller nicht festgestellt oder innerhalb eines Monats vom Händler benannt werden kann 

Wenn für einen Schaden mehrere Personen schadensersatzpflichtig sind (zum Beispiel Hersteller und Importeur), tragen sie das Haftungsrisiko als Gesamtschuldner nach § 5 ProdHaftG. Geschädigte können jedoch wählen, bei wem sie ihren Anspruch auf Schadensersatz geltend machen. In der Regel wählen sie denjenigen, der wirtschaftlich am ehesten dazu in der Lage ist. 

Können auch Dienstleister haften?

Grundsätzlich gilt: Dienstleister sind keine Hersteller, die für fehlerhafte Produkte haftbar gemacht werden können. Sie sind nur „Verwender“ und keine Beteiligten der Herstellungs- und Vertriebskette. Einzelheiten lassen Sie sich am besten jedoch von geschulten Fachleuten erklären. Sie sind firm in der Materie und haben reiches Fachwissen zu bieten.

Anspruchsvoraussetzungen für die Produkthaftung

Als Unternehmer müssen Sie folgende Regelungen kennen und sich genauestens damit auseinandersetzen.

Wann greift die Produkthaftung?

Im ProdHaftG ist nicht nur geregelt, wer haftet, sondern auch in welchen Fällen. Damit eine Produkthaftung greift, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: 

  • Es muss ein fehlerhaftes Produkt vorliegen, das im Sinne des § 2 ProdHaftG als Produkt gilt. Darunter fallen bewegliche Sachen, Elektrizität sowie landwirtschaftliche Erzeugnisse und Jagderzeugnisse. Ein Fehler liegt gemäß § 3 ProdHaftG vor, wenn die Sicherheitserwartungen der Verbraucher trotz Berücksichtigung aller Umstände nicht erfüllt werden. 

  • Nach § 1 des Produkthaftungsgesetzes muss ein Personenschaden entweder zum Tod, zu einer Verletzung oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung beim Geschädigten führen.  

  • Sachschäden werden nur als Sachbeschädigung an einer anderen Sache anerkannt. Das heißt, wenn das eigentliche Produkt kaputt geht, besteht kein Sachschaden nach ProdHaftG. 

  • Der Schaden muss sich auf den Produktfehler und nicht etwa auf eine falsche Bedienung zurückführen lassen. 

  • Anspruchsberechtigt sind sowohl unmittelbar wie auch mittelbar Geschädigte.

Wann ist die Produkthaftung ausgeschlossen?

In bestimmten Fällen ist eine Haftung nach § 1 Abs. 2 und 3 ProdHaftG ausgeschlossen. Dazu muss eine der folgenden Voraussetzungen gegeben sein: 

  • Hersteller haben das Produkt nicht in den Verkehr gebracht, weil es zum Beispiel gestohlen wurde. 

  • Der Fehler ist nach dem Inverkehrbringen entstanden, zum Beispiel durch eine unsachgemäße Reparatur

  • Der Hersteller hat das Produkt nicht für den Verkauf und nicht im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit gefertigt. Das heißt, das Produkt wird in erster Linie privat oder für wohltätige Zwecke genutzt. 

  • Der Fehler beruht auf der Berücksichtigung von zwingendem Recht

  • Der Fehler konnte nach dem wissenschaftlichen und technischen Stand zur Zeit des Inverkehrbringens nicht erkannt werden. 

  • Das Teilprodukt von Zulieferern war fehlerfrei und der Fehler ist erst durch die Herstellung des Endprodukts entstanden. Hier haften generell nur die Hersteller des Endprodukts, nicht aber die Zulieferer.

Beweislast bei der Produkthaftung: Wer muss eine mögliche Haftung nachweisen?

Für Fehler oder Schäden sind stets die Geschädigten in der Beweispflicht. Folgendes müssen sie darlegen: 

  • Ein Produktfehler lag bereits zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens vor. 

  • Sie müssen den tatsächlichen Eintritt eines Schadens aufzeigen. 

  • Es ist ein Beweis zu erbringen, dass der Schaden durch das fehlerhafte Produkt entstanden ist. 

Haben Sie das Produkt hergestellt müssen Sie wiederum sämtliche Umstände belegen, die Ihre Haftung ausschließen können.

Produkthaftung: Wie lange haften Selbstständige?

Die Produkthaftung hat eine Verjährungsfrist von drei Jahren. Sie beginnt, wenn Geschädigte vom Fehler eines Produkts hätten Kenntnis erlangen müssen. Ist ein Produkt jedoch seit mehr als zehn Jahren in Umlauf, können Kunden keine Ansprüche mehr auf eine Produkthaftung geltend machen. Dies gilt allerdings nicht, wenn bereits ein Rechtsstreit oder Mahnverfahren im Zusammenhang mit einem möglichen Anspruch läuft (§ 13 ProdHaftG).

Umfang von Schadensersatzzahlungen

Die Höhe des Schadensersatzes bei der Produkthaftung hängt davon ab, ob es sich um einen Personen- oder einen Sachschaden handelt. 

Personenschäden sind nach § 10 ProdHaftG bis zu einer Höhe von 85 Millionen Euro zu ersetzen. Geschädigte haben nach § 8 ProdHaftG außerdem einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Kommt der Geschädigte durch das fehlerhafte Produkt ums Leben, erhalten die Hinterbliebenen eine angemessene Entschädigung. 

Bei Sachschäden gibt es hingegen keine Obergrenze. Sie müssen auch nur ersetzt werden, wenn eine andere Sache als das Produkt selbst beschädigt wurde. Zudem müssen sich Geschädigte mit 500 Euro an der Beseitigung des Sachschadens beteiligen. 

Fallbeispiele für Produkthaftung

Eine Produkthaftung kann aus unterschiedlichsten Fehlern zum Tragen kommen: 

  • Ganz typisch sind Qualitätsmängel, zum Beispiel durch brüchige Schrauben oder sogenannte Überspannungsschäden. 

  • Auch gefährliche Fehlkonstruktionen zählen zu den Klassikern bei Produkthaftungsfällen. 

Info

Produkthaftung am konkreten Beispiel

Das Landgericht Göttingen hatte in der Vergangenheit beispielsweise über eine Klage zu entscheiden, wonach ein Händler einen Ethanol-Kamin verkaufte, der sich kaum nachfüllen ließ, ohne dass Brennspiritus daneben ging und im Gehäuse verdunstete. Beim Anfeuern des Kamins entzündete sich das explosive Gemisch aus Alkoholdampf und Luft und verletzte den Kaminbesitzer im Gesicht. Der Mann musste zwei Wochen im Krankenhaus bleiben. Das Problem bei diesem Fall war, dass sich der Hersteller nicht ermitteln ließ. Der Käufer verklagte deshalb den Händler und erhielt 7.500 Euro Schmerzensgeld sowie Schadensersatz.

Wichtig zu wissen: Auch als Händler sind Sie nicht vor einer möglichen Produkthaftung gefeit und sollten daher die Qualität Ihrer Produkte genau unter die Lupe nehmen, bevor Sie diese weiterverkaufen.

Produkthaftung bei B2B

Die Produkthaftung kommt auch im gewerblichen Bereich vor. Hier muss jedoch ein regelmäßiges eigenes Verschulden des Herstellers für den Schadensfall nachgewiesen werden. Bei der B2B-Produkthaftung kommt es daher immer auf die genauen Details an.

Ist eine erweiterte Produkthaftpflichtversicherung sinnvoll?

Wenn Sie Hersteller, Händler, oder Zulieferer sind, kann eine Produkthaftpflichtversicherung eine sinnvolle Ergänzung zur Berufshaftpflicht sein. Denn sie enthält einen erweiterten Versicherungsschutz, der neben den konventionellen Produkthaftpflichtrisiken auch zusätzliche Haftungstatbestände sowie reine Vermögensschäden abdeckt. Bei der Entscheidung, ob Sie für die Produkthaftung eine Versicherung abschließen sollten, hilft ein Beratungsgespräch mit einem Versicherungsspezialisten. Er kann eine Empfehlung aussprechen, ob und weshalb sich eine Zusatzversicherung im Einzelfall lohnt.

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