Nachträgliche Steuervo­r­a­uszahlungen - Insolvenzrisiko

Die nachträgliche Steuer­voraus­zahlung ist das Schreckgespenst selbstständiger Unternehmer. Durch unerwartet hohe Vorauszahlungsbescheide sind schon so manche Existenzen gescheitert, trotz vielversprechendem Geschäftsmodell und engagiertem Einsatz in die Insolvenz gerutscht.

Zuletzt aktualisiert am 27.05.2025
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So behalten Sie den Überblick

Eine Pleite durch nachträgliche Steuernachzahlungen ist leider gar nicht unwahrscheinlich, denn mit dem Finanzamt lässt sich kaum oder selten verhandeln. Was an Zahlungen fällig ist, muss fristgerecht geleistet werden. Unser Steuersystem mit seinem Mix aus Steuern, Vorauszahlungen von Steuern und Anpassungen von Vorauszahlungen basierend auf Schätzungen nach ermittelten Steuern ist verwirrend, unübersichtlich und eine buchstäbliche Angstmaschine.

Es ist nur menschlich, den Gedanken daran möglichst zu verdrängen – aber auch so riskant wie ungesund, denn unvorbereitet sollte niemand eine nachträgliche Steuervorauszahlung leisten müssen.  

Selbstständige zahlen entweder eine, zwei oder drei Einkommensteuerarten. Kleinunternehmer zahlen Einkommensteuer, es sei denn, sie entscheiden sich freiwillig gegen die Umsatzsteuerbefreiung. Freiberufler zahlen Einkommensteuer und immer dann Umsatzsteuer, wenn sie keine Kleinunternehmer sind. Gewerbliche Selbstständige zahlen Einkommensteuer, Gewerbesteuer und immer dann Umsatzsteuer, wenn sie keine Kleinunternehmer sind.

Mit einem erfolgreichen Gewerbe haben Sie also gleich drei Steuersorten, die Sie im Blick behalten müssen:

  • Umsatzsteuer
  • Einkommensteuer (oder Körperschaftsteuer bei einer GmbH oder UG)
  • ggf. Gewerbesteuer (Freiberufler sind befreit)

Für jede Steuerart müssen Sie eine Steuererklärung erstellen und Ihre Umsätze und Gewinne angeben. Anschließend bekommen Sie für Gewerbesteuer und Einkommensteuer einen Steuerbescheid, mit dem Ihnen das Finanzamt mitteilt, wie viel Geld Sie zu zahlen haben. Das Finanzamt möchte aber nicht bis zum Ende des Steuerjahres warten, deswegen leisten Sie vierteljährliche nachträgliche Steuervorauszahlungen. Diese Vorauszahlungen beginnen aus Einfachheitsgründen nicht bei null Euro, sondern erst, wenn Sie bestimmte Umsatz- oder Einkommensgrenzen überschreiten. 

Umsatzsteuer

Bei einer jährlichen Umsatzsteuerschuld von unter 1.000 Euro müssen Sie gar keine nachträgliche Steuervorauszahlungen leisten. Bei einer Umsatzsteuerschuld von 1.000 bis 7.500 Euro pro Jahr sind quartalsweise Vorauszahlungen fällig. Erst bei einer Umsatzsteuerschuld von über 7.500 Euro pro Jahr müssen Sie monatlich einen Betrag an das Finanzamt überweisen. Mit der Buchhaltungssoftware Lexware Office erledigen Sie Ihre Umsatzsteuervoranmeldung mit wenigen Klicks.

Einzig die Kleinunternehmerregelung kann Sie von der Umsatzsteuer befreien. Das ist nur möglich, wenn Sie durchgehend Umsätze von unter 17.500 Euro pro Jahr haben, also kein gutes langfristiges Ziel, nur um den Voranmeldungen zu bekommen. Abgesehen vom organisatorischen Aufwand hat es nämlich nur Vorteile, Umsatzsteuer verrechnen zu können.

Vorauszahlungstermine für die Umsatzsteuer

Abhängig davon, ob Sie die Umsatzsteuer quartalsweise oder monatlich zahlen müssen, ist sie zu diesen Terminen fällig:

  • Quartalsweise Voranmeldung: 10. Januar, 10. April, 10. Juli und 10. Oktober (mit Dauerfristverlängerung jeweils einen Monat später)
  • Monatliche Voranmeldung: jeder 10. im Monat für den Vormonat (mit Dauerfristverlängerung jeweils einen Monat später)

Einkommensteuer und Körperschaftsteuer

Nachträgliche Steuervorauszahlungen auf die Einkommensteuer müssen gezahlt werden, wenn die Steuerschuld mindestens 400 Euro pro Jahr beträgt. Durch den Grundfreibetrag können Sie etwa 1.000 Euro im Monat verdienen, ohne Einkommensteuer zahlen zu müssen (der exakte Betrag ist abhängig von Ihren persönlichen Merkmalen und Kosten).

Körperschaftsteuer ist die „Einkommensteuer für Kapitalgesellschaften“, grundsätzlich gelten die gleichen Regelungen wie für die Einkommensteuer. Mit der Ausnahme, dass es keinen Grundfreibetrag gibt und bereits der erste Euro Gewinn versteuert werden muss.

Termine für nachträgliche Steuervorauszahlungen für die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer

Die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer müssen Sie zum 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember zahlen.

Gewerbesteuer

Stark vereinfacht kann man zum Thema Gewerbesteuer Folgendes sagen. Gewerbesteuer muss von Selbstständigen erst ab einem Gewinn von 24.500 Euro gezahlt werden (der sogenannte Gewerbesteuerfreibetrag). Übersteigt Ihr Gewinn diese Grenze, müssen auch hier quartalsweise Steuervorauszahlungen geleistet werden.

Bei Kapitalgesellschaften gibt es keinen Freibetrag. Wie bei der Körperschaftsteuer muss ab dem ersten Euro Gewinn Gewerbesteuer gezahlt werden.

Vorauszahlungstermine für die Gewerbesteuer

Zum 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November muss die Gewerbesteuer gezahlt werden.

Nachträgliche Steuervorauszahlung als Insolvenzrisiko

Nach Abgabe der jährlichen Steuererklärung folgt in der Regel eine Abschlusszahlung. Die kommt zu den geleisteten nachträglichen Steuervorauszahlungen noch dazu. Die Steuerarten und Zahlungen addieren sich auf, das kann so verwirrend wie belastend sein.

Es kann durchaus vorkommen, dass Sie am 10. September 2019 die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für August 2019, die dritte Einkommensteuer-Vorauszahlung für 2019, die Gewerbesteuer-Jahresabschlusszahlung 2018 oder die Nachzahlung auf die Einkommensteuer für 2016 leisten.

Das Beispiel allein zeigt schon, wie überlebenswichtig es sein kann, dass Sie immer einen Überblick über Ihre Zahlungen haben. Sie sollten natürlich auch immer wissen, welche Steuerart Sie für welches Jahr gerade zahlen.

Woher kommt das „nachträgliche im Voraus“?

Die Höhe der nachträglichen Steuervorauszahlungen ist von Ihrer letzten Steuererklärung abhängig. Bei Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer wird die Steuerschuld der letzten Steuererklärung genommen und durch vier geteilt. Diesen Betrag zahlen Sie dann im kommenden Jahr in vier Raten.  

Wenn zwischenzeitlich die Ergebnisse weiterer Einkommensteuererklärungen eintrudeln, werden nicht nur die Nachzahlungen fällig und die Vorauszahlungen erhöht, sondern es wird auch noch angepasst, was hätte vorausgezahlt werden müssen – und das kann schnell die ganz große Keule werden.

Das Risiko:

Die wenigsten Selbstständigen beschäftigen sich gerne mit Steuern. Der Umgang mit den Zahlen funktioniert eher nach Gefühl oder es wird alles an einen Steuerberater gegeben, der sich aber nie so gut kümmern wird wie Sie als Unternehmer selbst. Zudem wird er sich auch gewiss nicht dafür verantwortlich fühlen, ob Sie solvent genug sind. Dafür müssen Sie selbst sorgen, indem Sie den Überblick behalten.

Ein fiktives, aber nicht unrealistisches Beispiel

Thomas hat sich im Jahr 2014 als Berater selbstständig gemacht und ist es nun schon seit vier Jahren. Umsätze und Gewinne steigen nach kleinen Anlaufschwierigkeiten stark an, und die Zukunft sieht sehr positiv aus. Nur seine interne Organisation hat er nicht in den Griff bekommen. Auf Steuern hat er einfach keine große Lust. Die Steuererklärungen für 2014 hat er nach der zweiten Erinnerung irgendwie selbst zusammengebaut. Da jetzt für 2015 die zweite Erinnerung des Finanzamts gekommen ist, hat er alle Unterlagen in einen Karton gepackt und sich einen Steuerberater gesucht.

Der Steuerberater erledigt die Buchhaltung und stellt fest, dass Thomas folgende Ergebnisse erzielt hat:  

  • 2014: 15.000 Euro Bruttoumsatz (10.000 Euro Gewinn)  
  • 2015: 45.000 Euro (30.000 Euro)  
  • 2016: 70.000 Euro (50.000 Euro)  
  • 2017: 100.000 Euro (60.000 Euro)

Mit den Steuerbescheiden von 2014 hatte das Finanzamt auch die Vorauszahlungen festgesetzt:  

  • Umsatzsteuer: 0 Euro durch die Kleinunternehmerregelung  
  • Einkommensteuer: 0 Euro durch den Grundfreibetrag  
  • Gewerbesteuer: 0 Euro durch den Gewerbesteuerfreibetrag

Thomas hat also noch keine Steuern vorausbezahlt und das Finanzamt hat auch nicht weiter nachgefragt. Dort wusste auch niemand, wie sich die Umsätze entwickelt haben.

Da nun Anfang 2018 ist, müssen also dringend die Steuererklärungen für 2015 und 2016 gemacht werden. Bei den gegebenen Zahlen kommen etwa folgende Zahlungen (Hinweis: Steuersätze und -beträge sind gerundet, um die Berechnung zu vereinfachen):

  • Jahr 2015 Umsatzsteuer: 0 Euro durch die Kleinunternehmerregelung Einkommensteuer: 3.900 Euro Gewerbesteuer: 750 Euro
  • Jahr 2016 Umsatzsteuer: 8.000 Euro (Kleinunternehmerregelung ist mit den Umsätzen nicht mehr möglich) Einkommensteuer: 9.400 Euro Gewerbesteuer: 3.600 Euro

Thomas muss für beide Jahre insgesamt also etwa 24.650 Euro Steuern nachzahlen. Das tut bei einem Jahreseinkommen von 60.000 Euro schon richtig weh und kann bei fehlenden Rücklagen schon das Ende bedeuten. Doch es kommt noch viel schlimmer. Das ist nicht fiktiv. Genau so wird jedes Finanzamt reagieren. Da das Finanzamt jetzt neue Zahlen hat, werden natürlich auch die Vorauszahlungen angepasst.

Da die Umsatzsteuerschuld über 7.500 Euro liegt, müssen jetzt monatliche Voranmeldungen abgegeben werden. Thomas bekommt eine Frist von vier Wochen, um alle Voranmeldungen für 2017 und alle ausstehenden Voranmeldungen für 2018 einzureichen. Bei gleicher Kostenstruktur sind das etwa 11.400 Euro nachträgliche Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für 2017.

Die Vorauszahlungen für die Einkommensteuer werden auf 2.350 Euro festgesetzt (ein Viertel der letzten Steuerschuld). Für das abgelaufene Jahr 2017 sind vier nachträgliche Steuervorauszahlungen fällig, also 9.400 Euro.

Bei der Gewerbesteuer greift der gleiche Mechanismus wie bei der Einkommensteuer. Es sind nachträgliche Vorauszahlungen in Höhe von 3.600 Euro fällig.

Im Ergebnis kommen zu den Steuernachzahlungen von 24.650 Euro noch nachträgliche Steuervorauszahlungen in Höhe von 24.400 Euro für 2016 dazu. Insgesamt muss Thomas also 49.050 Euro Steuern nachzahlen. Bei einem Jahreseinkommen von 60.000 Euro und mit einer Frist von vier Wochen. Die Rechnung vom Steuerberater in Höhe von 5.000 Euro darf Thomas auch gleich mit nach Hause nehmen.

Das Finanzamt ist nicht zimperlich. Wenn nicht gezahlt wird, kommen noch 1-2 Erinnerungen und dann wird das Konto gepfändet. Selbst wenn Thomas es schafft, seine Steuerschulden in Höhe von über 80 % seines Jahreseinkommens zu zahlen, dann wartet bald die nächste Vorauszahlung für 2017 und die nächste Abschlusszahlung für 2016.

Gefahr vor Verdrängung und Verschleppung

Existenzängste sind vorprogrammiert, wenn Sie sich der Herausforderung nicht stellen und Ihnen eine Lösung holen, die Sie und Ihre Abläufe entlasten. Alle Themen rund ums Geld und wann es gefährlich knapp werden könnte, sind in Deutschland tabu. Wie bei allen Sachen, die man am liebsten geheim halten möchte, besteht Gefahr von Verdrängung und Verschleppung – das ist ein sehr typisches Selbstständigenproblem.

Tipp

Nachträgliche Steuervorauszahlung: Gute Vorbereitung ist alles

Briefe vom Finanzamt verlieren ihren Schrecken, wenn Sie gut vorbereitet sind. Best-Practice-Tipp: Es ist gut zu wissen, wie viel man irgendwann einmal zahlen muss. Aber sicherer ist es, wenn Sie auch sofort zahlen, um gar nicht erst in Versuchung zu kommen, das Geld auszugeben. Wenn Ihre Umsätze steigen, können Sie das jederzeit Ihrem Finanzamt mitteilen und darum bitten, die Vorauszahlungen anzuheben. Besser als eine böse Überraschung ist das allemal.