Die Aufbewahrungsfrist beschreibt den Zeitraum, in dem steuerlich aufbewahrungspflichtige Schriftstücke geordnet archiviert werden müssen. Ziel ist einerseits, selbst auf die relevanten Dokumente zugreifen zu können, und andererseits, dem Finanzamt den Zugriff auf die Geschäftsunterlagen gewähren zu können – insbesondere im Falle von Betriebsprüfungen.
Gesetzliche Grundlagen: Welche Rechtsverordnungen sind zu beachten?
Die Aufbewahrungspflicht von Büchern und Unterlagen ist sowohl im Steuerrecht als auch im Handelsrecht geregelt:
Steuerrechtliche Aufbewahrungspflicht (AO)
Die Abgabenordnung bestimmt als elementaren Teil des Steuerrechts, welche Unterlagen aufbewahrt werden müssen (§147 AO). Demnach obliegen alle Unternehmer, die zur Buchführung verpflichtet sind, auch der Aufbewahrungspflicht nach dem deutschen Steuerrecht. Mit § 140 AO geht diese Aufzeichnungspflicht jedoch über das Steuerrecht hinaus. Wer seine Bücher nach anderen Gesetzen führt, hat die Besteuerung nach diesem Gesetz entsprechend zu erfüllen. So haben einige Kaufleute das Handelsrecht (HGB) zu beachten.
Handelsrechtliche Aufbewahrungspflicht (HGB)
Das Handelsgesetzbuch (HGB) verpflichtet mit § 257 alle Kaufleute zur Aufbewahrung ihrer Unterlagen. Die Buchführung muss nach § 238 HGB außerdem so gestaltet werden, dass alle Geschäftsvorfälle auch von Dritten (z. B. dem Finanzamt) lückenlos nachvollzogen werden können.
Im Zusammenhang mit der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht kommt der revisionssicheren Archivierung eine besondere Bedeutung zu. Auf unserer Themenseite zu den GoBD können Sie nachlesen, welche Anforderungen an eine ordnungsmäßige Führung und Aufbewahrung von Büchern zu erfüllen sind.
Info
Weitere gesetzliche Grundlagen zur Aufbewahrungsfrist
Neben der Abgabenordnung und dem Handelsgesetzbuch gibt es noch spezielle Fristen im Aktien-, Arbeits-, Beamten-, Produkthaftungs-, Sozialversicherungs-, Steuer-, sowie Banken- und Versicherungsgesetz und ebenfalls in der Röntgen- und Strahlenschutzverordnung und der Verordnung über Entsorgungsfachbetriebe.
Wer ist zur Aufbewahrung verpflichtet?
Prinzipiell gilt: Wer buchführungs- bzw. aufzeichnungspflichtig ist, muss ebenso dafür sorgen, dass seine Aufzeichnungen und Unterlagen ordnungsgemäß aufbewahrt werden. Zu den Aufbewahrungspflichtigen gehören also nicht nur Handelsgesellschaften (GmbH, OHG, KG, AG etc.), sondern auch Gewerbetreibende sowie Land- und Forstwirte, die bestimmte Gewinn- und Umsatzgrenzen überschreiten:
- Gewerbetreibende sowie Land- und Forstwirte, die mehr als 800.000 Euro Umsatz oder 80.000 Euro Gewinn pro Jahr erwirtschaften (bis 2023: 600.000 Euro/60.000 Euro)
Gesetzliche Aufbewahrungsfristen von Geschäftsunterlagen: 6, 8 oder 10 Jahre?
Für steuerrelevante Geschäftsunterlagen gelten Aufbewahrungsfristen von 6, 8 oder sogar 10 Jahren. Die jeweiligen Fristen sind in der Abgabenordnung festgelegt.
Eine Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren gilt nach § 147 Abs. 3 AO i. V. m. § 147 Abs. 1 Nr. 1, 4, 4a AO für folgende Dokumente:
- Bücher und Aufzeichnungen
- Inventare
- Jahresabschlüsse (Bilanz und GuV)
- Lageberichte
- Eröffnungsbilanz mit allen zum Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und Organisationsunterlagen
- Bankunterlagen und Kontoauszüge
- Fahrtenbücher
- Steuererklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen
Für Buchungsbelege und Rechnungen (z. B. Bewirtungsbelege, Reisekostenabrechnungen, Lieferscheine, Quittungen) wurde die Aufbewahrungsfrist im Oktober 2024 durch das vierte Bürokratieentlastungsgesetz von 10 auf 8 Jahre gesenkt.
Die Aufbewahrungsfrist von 6 Jahren gilt entsprechend für alle anderen aufbewahrungspflichtigen Unterlagen:
- empfangene Handels- oder Geschäftsbriefe
- Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe
- sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind
Konkret gehören hierzu z. B:
- Angebote
- Auftragsbestätigungen
- Buchführungsprogramm
- Mahnungen
- Versicherungspolicen
- Verträge
Tipp
Alphabetische Übersicht über die Aufbewahrungsfristen zum Download
Ob Rechnungen, Gutschriften oder Inventurunterlagen – wir haben für Sie eine Übersicht erstellt, in der wir die Aufbewahrungsfristen für alle wichtigen Geschäftsunterlagen alphabetisch sortiert haben. Diese Übersicht über die Archivierungsfristen von Dokumenten können Sie hier kostenlos als PDF herunterladen.
Welche Konsequenzen können durch Verstöße gegen die gesetzliche Aufbewahrungspflicht drohen?
Unternehmer oder Kaufleute verstoßen gegen ihre Aufbewahrungspflicht, wenn sie aufbewahrungspflichtige Unterlagen vor Ablauf der entsprechenden Frist beiseiteschaffen, verheimlichen, zerstören oder beschädigen und dadurch die Übersicht über ihre Vermögensgegenstände erschweren. Mit der Nichteinhaltung der festgesetzten Aufbewahrungsfristen nach Handelsrecht, Steuerrecht oder anderen Rechtsprechungen liegt also auch eine Verletzung der Buchführungspflicht vor. Zum Strafvollzug können verschiedene Rechtsgrundlagen herangezogen werden. U. a. sind die rechtlichen Konsequenzen im Strafgesetzbuch (StGB) sowie in der Abgabenordnung (AO) verankert
- In erster Linie ist das Finanzamt dazu angehalten, die entsprechenden Vermögensgegenstände wie Gewinne und Umsätze mithilfe von Branchenvergleichswerten zu schätzen, wenn die Besteuerungsgrundlage aufgrund unvollständiger Bücher und Aufzeichnungen nicht ermittelt werden kann (§ 162 AO).
- Je nach Tatbestand kann das Gericht auch von Steuergefährdung oder Steuerhinterziehung ausgehen. Schlimmstenfalls drohen hohe Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen.
Welche Aufbewahrungsfristen gelten für Privatpersonen?
Anders als Unternehmer und Kaufleute sind Privatpersonen nicht von den gesetzlichen Aufbewahrungsfristen nach Steuerrecht oder Handelsrecht betroffen. Es gibt keine Aufbewahrungspflicht für Belege. Für einige Dokumente ist es jedoch empfehlenswert, eine gewisse Frist vor der Entsorgung abzuwarten. Denn für Privatpersonen können die Aufbewahrungsfristen z. B. im Rahmen ihrer Steuererklärung von Bedeutung sein. Damit das Finanzamt bei Bedarf auf steuerrelevante Informationen zugreifen kann, empfehlen wir folgende Aufbewahrungsfristen für die wichtigsten privaten Dokumente:
Rechnungen und Quittungen
- Für alle höherwertigen Anschaffungen wie Möbel und Einrichtungsgegenstände oder Elektrogeräte gilt eine Gewährleistungsfrist von 2 Jahren. Um auf Reklamationsfälle vorbereitet zu sein, sollten Sie nach dem Neukauf Ihre Belege entsprechend dieser Frist aufbewahren. Das gleiche gilt für Bestellungen aus dem Internet. Eine Belegaufbewahrungspflicht gibt es für Privatpersonen aber nicht.
Kontoauszüge und Bankunterlagen
- Kontoauszüge sollten solange aufbewahrt werden, dass Zahlungen laufender Verträge nachgewiesen werden können. Auch die Bezahlung von Neuanschaffungen sollten Sie zumindest über die Garantiedauer belegen können. Deshalb gilt für Kontoauszüge und andere Bankunterlagen, die wichtige Bewegungen von Einkäufen und Überweisungen beinhalten, eine empfohlene Aufbewahrungsfrist von 3 Jahren.
Steuerunterlagen und Steuerbescheide
- Eine festgeschriebene Aufbewahrungsfrist für private Steuerunterlagen gibt es grundsätzlich nicht. Im Grunde können Sie Ihre Steuerunterlagen sogar direkt entsorgen, nachdem die Steuererklärung eingegangen ist.
- Das ist jedoch nicht zu empfehlen. Stattdessen sollten Sie Ihre Steuerunterlagen aufbewahren, um bspw. Ihr Einkommen für spätere Anträge nachweisen zu können. Im schlimmsten Fall können sich steuerrechtliche Bestimmungen ändern, die Ihre Steuer rückwirkend beeinflussen können.
- Ausnahme: Spendenquittungen müssen nach Bekanntgabe des Steuerbescheids mindestens noch für ein Jahr aufbewahrt werden.
Lohnunterlagen und Gehaltsabrechnungen
- Auch für Gehaltsabrechnungen gibt es keine Aufbewahrungspflicht. Jedoch sind Gehaltsnachweise wichtige Dokumente für die jährliche Steuererklärung. Es ist außerdem ratsam, alle Unterlagen, die zur Rentenberechnung dienen, bis zum Renteneintritt aufzubewahren.
Versicherungsunterlagen und -policen
- Versicherungsverträge und Berichte sollten Sie über die jeweilige Laufzeit aufbewahren. Ausgenommen sind steuerrelevante Versicherungsunterlagen. Hier sollten Sie die Aufbewahrungsfristen für Steuerunterlagen berücksichtigen.
Mietverträge
- Bei Mietverträgen gilt eine Verjährungsfrist von 3 Jahren. Bewahren Sie diese Dokumente also entsprechend dieser Frist auf.
Zeugnisse und Urkunden
- Egal ob Geburtsurkunde oder Abschlusszeugnisse von Schulen oder Beruf – diese Dokumente können Sie ein Leben lang begleiten. Urkunden und Zeugnisse sollten Sie daher in keinem Fall entsorgen.
Wann beginnt die Aufbewahrungsfrist?
Grundsätzlich beginnt die Aufbewahrungsfrist mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem das entsprechende Dokument neu angelegt oder letztmals geändert bearbeitet wurde. Die Aufbewahrungsfristen können sich verlängern, sofern die Dokumente z.B. für die Steuer notwendig sind und deren Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Das ist der Fall bei:
- einer begonnenen Betriebsprüfung,
- einer vorläufigen Steuerfestsetzung,
- steuerstraf- und bußgeldrechtliche Ermittlungen,
- einem schwebenden oder aufgrund einer Außenprüfung zu erwartenden
Rechtsbehelfsverfahren sowie - einer Begründung von Anträgen des Steuerpflichtigen.
Beispiel Jahresabschluss:
Der Jahresabschluss für 2023 wurde erst im darauffolgenden Juni 2024 erstellt und beim Finanzamt eingereicht. Die Aufbewahrungsfrist beginnt daher erst am 01.01.2025 und dauert bis zum 31.12.2035. Die Unterlagen dürfen Sie also erst ab dem 01.01.2036 entsorgen – und auch nur dann, wenn die Unterlagen nicht mehr für steuerliche Zwecke von Bedeutung sind. Wenn Ihre alten Unterlagen etwa für eine Betriebsprüfung benötigt werden, müssen diese über die Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren hinaus aufbewahrt werden. Gleiches gilt für Unterlagen, bei denen lediglich eine sechs- oder achtjährige Aufbewahrungspflicht besteht.
In Papierform oder elektronisch: Wie müssen die Dokumente aufbewahrt werden?
Da Sie als Unternehmens– und oder Existenzgründer rechtlich zur Aufbewahrung von Dokumenten über mehrere Jahre verpflichtet sind, obliegt die Form der Aufbewahrung Ihrer eigenen Verantwortung. Auf jeden Fall müssen Sie sicherstellen, dass die Unterlagen jederzeit eingesehen werden können. Ebenso existieren hinsichtlich der Form der Aufbewahrung Vorschriften des Gesetzgebers.
Die wichtigste Vorschrift ist die Lesbarkeit der Dokumente, die Sie gewährleisten müssen. So müssen Rechnungen auch noch nach acht Jahren lesbar sein. Das bedeutet, dass Sie von Rechnungen, die auf Thermopapier gedruckt wurden und die im Verlauf der Jahre nicht mehr leserlich sind, Kopien anzufertigen haben, die zusammen mit der entsprechenden Rechnung aufzubewahren sind.
Hier für Sie aus der Fülle der Aufbewahrungsarten ein kurzer (und daher nicht vollständiger) Überblick:
- Jahresabschlüsse sowie Eröffnungsbilanzen sind im Original aufzubewahren.
- Als bildliche Wiedergabe sind Handels- und Geschäftsbriefe und Rechnungen aufzuheben.
- Für elektronisch übermittelte Rechnungen ist zu beachten, dass das innerbetriebliche Kontrollverfahren einen verlässlichen Prüf-Pfad für den Zusammenhang zwischen Rechnung und Leistung sicherstellen können muss.
- Alle sonstigen Unterlagen, die der Aufbewahrungspflicht unterliegen, müssen in Form einer inhaltlichen Wiedergabe aufbewahrt werden.
- Originär digitale Unterlagen und Dokumente sind so aufzubewahren, dass die maschinelle Auswertung ermöglicht wird.
Archivierung bedeutet nicht, dass Sie ein Archiv im Keller einrichten und Ihre Akten dort über Jahre hinweg lagern müssen. Heutzutage liegen schließlich Daten und Unterlagen meist in digitaler Form vor. Nutzen Sie hierfür digitale Archive in Form von Archivierungssoftware. So sparen Sie nicht nur Lagerraum, sondern erfüllen gleichzeitig Ihre Pflicht zur revisionssicheren Archivierung – ganz nach den Anforderungen der GoBD.
Wo müssen die Dokumente aufbewahrt werden?
Nach § 146 Abs. 2 AO müssen aufbewahrungspflichtige Unterlagen und Belege grundsätzlich in Deutschland bewahrt werden. Anders ist das beim Handelsgesetzbuch. Dort wird kein bestimmter Aufbewahrungsort vorschrieben. Die Dokumente müssen lediglich innerhalb einer angemessenen Zeit vorgelegt werden (§ 239 Abs. 4 HGB).
Unter bestimmten Voraussetzungen können nach § 146 Abs. 2a + b AO Bücher und sonstige elektronische Aufzeichnungen auch im Gemeinschaftsgebiet elektronisch geführt und aufbewahrt werden. Seit dem 1. Januar 2023 besteht außerdem die Möglichkeit, elektronische Bücher und Aufzeichnungen auf schriftlichen oder elektronischen Antrag gemäß §146 Absatz 2b AO in einem oder mehreren Drittstaaten zu führen und aufzubewahren, unter der Bedingung, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, wie die Bekanntgabe des Standorts und die Gewährleistung des Datenzugriffs.